Auf der Elektrischen

Jeden Morgen gegen acht

von Ludwig Thoma

Ludwig Thoma
Auf der Elektrischen
 
Jeden Morgen gegen acht
 
Der alte Professor Spengler fährt jeden Morgen gegen acht Uhr vom großen Wirt in Schwabing bis zur Universität.
Er fällt auf durch seine ehrwürdige Erscheinung; lange, weiße Locken hängen ihm auf die Schultern, und er geht gebückt unter der Last der Jahre.
Ein Herr, der auf der Plattform steht, beobachtet ihn längere Zeit durch das Fenster.
Er wendet sich an den Schaffner.
„Wer ist denn eigentlich der alte Herr? Den habe ich schon öfter gesehen.“
„Der? Den kenna Sie nöt?“
„Nein.“
„Dös is do unsa Professa Spengler.“
„So? so? Spengler. M-hm.“
„Professa der Weltgeschüchte“, ergänzt der Schaffner und schüttet eine Prise Schnupftabak auf den Daumen.
„Mhm!“ macht der Herr. „So, so.“
Der Schaffner hat den Tabak aufgeschnupft und schaut den Herrn vorwurfsvoll an.
„Den sollten S' aba scho kenna!“ sagt er. „Der hat vier solchene Büacha g'schrieb'n.“
Er zeigt mit den Händen, wie dick die Bücher sind.
„So ... so?“
„Lauter Weltgeschüchte!“
„Ich bin nicht von hier“, sagt der Herr und sieht jetzt mit sichtlichem Respekte auf den Professor.
„Ah so! Nacha is 's was anders, wenn Sie net von hier san“, erwidert der Schaffner.
Er öffnet die Türe.
„Universität!“
Professor Spengler steigt ab. Der Schaffner ist ihm behilflich; er gibt acht, daß der alte Herr auf dem glatten Asphalt gut zu stehen kommt. Dann klopft er ihm wohlwollend auf die Schulter. „Soo, Herr Professa! Nur net gar z' fleißig!“
Er pfeift, und es geht weiter.
Der Schaffner wendet sich nochmal an den Herrn: „Alle Tag, punkt acht Uhr, fahrt dös alte Mannderl auf d' Universität. Nix wia lauta Weltgeschüchte!“
 
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