Auf ein Neues, Berlin

Verfassungsgericht korrigiert Pannenwahl

von Lothar Leuschen​

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Auf ein Neues, Berlin
 
Verfassungsgericht korrigiert Pannenwahl
 
Von Lothar Leuschen
 
Wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre es eine Lachnummer. Aber ganz von der offenkundigen Unfähigkeit der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland abgesehen, etwas Urdemokratisches wie eine Wahl fehlerfrei zu organisieren, zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wenigstens, daß das System funktioniert. Die Fehler der Politik, die Pannen der Behörden werden in Deutschland nicht unter den Teppich gekehrt, sie werden aufgedeckt, verhandelt und gegebenenfalls korrigiert. Deshalb dürfen einige Hunderttausend Berliner vermutlich im Februar wieder an die Wahlurnen.

Nun zur Tagesordnung überzugehen, verbietet sich, trotz des weisen Richterspruchs, dennoch. Denn es legt Zeugnis über den Zustand der öffentlichen Verwaltung zumindest in Berlin ab, wenn der dort regierende Bürgermeister Kai Wegner seiner Zuversicht Ausdruck verleihen muß, daß die partielle Neuwahl diesmal fehlerfrei über die Bühne gehen werde. Das sollte der Erwähnung eigentlich nicht wert sein, es sei denn, Wegner wüßte mehr und Deutschland befände sich auf dem Weg in eine Bananenrepublik. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Staates haben einen Anspruch darauf, daß etwas Elementares wie Wahlen pannenfrei organisiert werden können. Das hätte Wegner sagen sollen, seine „Zuversicht“ hingegen läßt Pessimisten sicher wieder Schlimmstes erahnen. Möge es anders kommen.

Aber auch wenn es anders kommt, wenn Berlin es schafft, genügend Wahlzettel zu verteilen, Wahllokale rechtzeitig zu öffnen und rechtzeitig zu schließen, dann ist die Wahl immer noch nicht dieselbe, die sie im Herbst des Jahres 2021 gewesen ist. Die Stimmungslage ist eine andere, in der Parteienlandschaft haben sich Veränderungen ergeben. Deutschland 2024 ist nicht Deutschland 2021. Deshalb wird der Neuwahltermin in Berlin das Ergebnis vom Herbst 2021 verfälschen, wenn auch wahrscheinlich nur marginal. Aber jede Abweichung muß Wahlbehörden überall in Deutschland und vor allem in Berlin gemahnen, Wahlorganisation ernst zu nehmen.
 

Der Kommentar erschien am 19. Dezember in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.