Täter-Opfer-Umkehr

Palästinensischer Außenminister in Berlin

von Lothar Leuschen​

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Täter-Opfer-Umkehr
 
Palästinensischer Außenminister in Berlin
 
Von Lothar Leuschen
 
Das diplomatische Parkett ist glatt. Das hat auch die Bundesaußenministerin bereits erfahren müssen. Es reicht halt nicht unbedingt aus, Völkerrecht studiert zu haben, um in der internationalen Politik mitspielen zu dürfen. Aber geschadet hat Annalena Baerbock das Studium ganz sicher auch nicht. Im Kern dürfte sie in den Hörsälen gelernt haben, daß Völker grundsätzlich Rechte haben und daß diese Rechte international zu schützen sind. Palästinenser sind ein Volk. Dieses Volk hat Rechte. Sicher auch das Recht auf einen eigenen Staat. Dieses Recht einzufordern, ist Aufgabe von politischen Funktionsträgern. Deshalb gibt es am Besuch des Außenministers der Palästinenser-Gebiete, Riad al-Malki, in Berlin auch nichts zu kritisieren. Es ist im Gegenteil das Gebot vernünftiger Diplomatie, ihn zu empfangen. Das hat Außenministerin Baerbock am Dienstag getan. Und es war sicher nicht der einfachste Drahtseilakt in ihrer an Drahtseilakten zweifellos reichen und doch noch so kurzen Amtszeit. Sie hat ihn bewältigt, wenn auch mit leichten Abzügen in der B-Note.
 
Tatsächlich fiel die Ministerin in das Klagen der arabischen Welt darüber ein, daß Israel der Mörder habhaft werden will, die am 7. Oktober 2023 eine tiefe Wunde in Israels Seele geschlagen haben. Deshalb durchkämmen dessen Truppen den Gazastreifen. Und dabei gibt es auch viele unschuldige Opfer. Da liegt es natürlich auf der Hand, von Israel Vorsicht und Mäßigung zu fordern. Das aber birgt das Risiko, die Rollen in diesem Drama zu vertauschen.
 
Mit jedem Tag der Krise im Nahen Osten, mit jedem Vorrücken der israelischen Armee gerät die einzige Demokratie in der Region in der öffentlichen Wahrnehmung mehr in die Täterrolle. Doch die Mörder und Vergewaltiger, die blutrünstigen Angreifer verstecken sich unter der geschundenen Bevölkerung im Gazastreifen. Es wäre also auch ein Akt der Diplomatie sowohl von Baerbock als auch von al-Malki sowie von der gesamten arabischen Welt, von der Hamas zu fordern, den Terror zu beenden und die Terroristen an Israel auszuliefern. Dann gäbe es für Israel keinen Grund mehr, auf Rafah zu marschieren.
 
 
Der Kommentar erschien am 14. Februar in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.