Muckenichs Ballbericht

von Julius Stettenheim

Foto © Frank Becker
Muckenichs Ballbericht
 
Ick bin im jrunde keen Vajnüchling, denn ick bin über die Jahre 'raus, wo man nich jenug vom Tanzen kriejen kann. Aber dann und wann bin ick denn doch nich so, und denn halten mir keene zehn Pferde. Nämlich im Karneval, wenn dieser Prinz den höchsten Jrad erreicht hat, denn tanze ick jerne mal in den Tag hinein. Ick War also janz froh, wie ick gestern meinen ollen Freund Starkow treffe, der zu mir sagt: „Mensch, Muckenich“, sagt er, „Wir treffen uns heute uff det Karnevalsfest in unser Stammlokal in die lustige Beule. Du wirst dir wie 'n Schneekönig amüsieren.“ Schön, sage ick, ick weeß zwar nich, wie sich Schneekönige amüsieren, aba wenn du meenst, denn komme ick. „Wenn du rnit een' in der Krone kommst, Muckenich, denn wird's aber faul. Deine Frau lasse zu Hause, es sind Damens in Menge vorhanden, und Maske broochste ooch nich.“
     Jejen Abend werfe ick mir also ins Ballkostüm. Det heeßt: Ick bürste meine olle jelbe Weste, kloppe meínen Hut aus, hole meinen Rock vom Boden, lasse meine Frau zu Hause und jehe in die „Lustje Beule“. Wie ick ankomrne, dreht det Orchester schon drufflos, und et wird scharf jetanzt. Der Saal sah feenhaft aus und war teils und teils erleuchtet. Von Damentoiletten versteh ick nischt, dajejen hatten die Männer meist schon ihre Röcke in der Jarderobe abjejeben. Unser oller jern jesehener Freund Mummecke trug 'n einfaches Jlas Punsch; während sein Mund mit 'ner jlänzenden Sechserzigarre verziert war. Freund Appel war wie jewöhnlich der Liebling der Damen, joß ihnen Bier in den Halsausschnitt (um mia vornehm auszudrücken!) und klatschte ihnen Beifall uff´n verlängerten Teil vom Rücken.
     Jejen Mitternacht trat 'ne Pause ein, weil die meisten Damen uff'n Lokus jejangen waren. Nu konnte ick die Jesellschaft in Ruhe mustern; maskiert war keener, bloß Herr Ölkopp jing mit'n Strick in der Hand 'rum und sagte, et wäre als Hundefänger jekommen. Det jefiel sehr, denn dann und wann legte er einem Balljast den Strick um den Hals und zog zu, was denn alljemeine Heiterkeit hervorrief. Ab und zu krichte er 'ne Ohrfeige, wodurch denn det Jelächter den Höhepunkt erreichte. Um zwei Uhr ging der Ball weiter, nachdem een Schutzmann Ruhe jestiftet hatte; Ick habe nämlich zu berichten vajessen, daß eene furchtbare Keilerei ausjebrochen war. Im übrigen verlief det scheene Karnevalsfest unjestört, und erst in der vierten Morjenstunde begaben sich die letzten Gäste volltrunken nach der benachbarten Sanitätswache, um sich den ersten Verband anlegen zu lassen.
     Meine Herren, die Schneekönige sollen leben!
 
 Julius Stettenheim