3 : 2 für die Ewigkeit
Ein Heldenepos in elf Gesängen
Von Michael Zeller
Die Wahrheit is auf’n Platz
und der Mythos sitzt im Kopf
Adi Preißler/M.Z.
Vierter Gesang
„Mittwoch nochmals Türken schlagen!“
gibt der KICKER bündig vor
das Zentralorgan des Fußballs
auf und ab in deutschen Landen
Beide haben sie zwei Punkte
Türken, Deutsche, auf dem Konto
und die Tore zählen nicht
(sonst wären die Deutschen jetzt schon draußen)
So will’s das Reglement der Spiele:
Nicht der Rechenschieber urteilt
sondern ein Entscheidungsmatch
wer die nächste Runde schafft
und die letzten Acht erreicht
Tatort: Zürich. Schwüles Wetter
beinah wie am Bosporus
Am Hardturm sind nur Siebzehntausend
ein Drittel kaum vom Spiel in Basel
So viel Kredit hat sie verloren
Herbergers Mannschaft, nach den Prügeln
von den Jungs aus Budapest
Doch heute strotzen sie vor Mut
verzichten auf das weiße Trikot
damit’s die Türken tragen können
und ihr roter Brustring strahle
Abergläubisch sind die Spieler
wenn’s um solche Dinge geht
wie die Magie der eigenen Farben
und man muß sich saustark fühlen
in fremden Hemden aufzulaufen
Grüne diesmal – doch was soll’s?
Grün, die Farbe des Propheten …
„Die putzen wir doch auch in Grün!“
Mit dem Anpfiff legen sie los
das Drei zu Acht sitzt tief genug
sie wollen es ungeschehen machen
und zeigen, daß sie zaubern können
Tore machen, feinster Art
Zum ersten Mal in dem Turnier
erzielen sie das erste Tor
in der siebten Spielminute
und das zweite läßt nicht warten
Auf so einem weichen Polster
kann man endlich Fußball spielen
Der Sturm ist glänzend aufgelegt
die Tore fallen wie am Band
„Kruzitürken!“ Heute rollt’s
Der rote Halbmond – er geht unter
Auch Fritz Walter trifft ins Schwarze
Tatsächlich: Zielen kann er noch
der „alte ausgebrannte Mann“
Und sie fallen ihm um den Hals
selbst Turek läßt sein Tor im Stich
(Turek „der Türke“ auf gut Polnisch)
und rennt bis zur Mitte vor
um den Kapitän zu herzen
Doch den Vogel ab schießt Morlock
bei diesem Schützenfest in Grün
„Kein Spiel ohne Morlock-Tor“
heißt es von dem Mann aus Nürnberg
und diesmal sind‘s gleich deren drei
ein richtig satter Dreierpack
Sieben/Zwei heißt es am Ende
Ein großer Sieg ist das geworden
Das Turnier geht für sie weiter
Nicht sie, die Türken fahren heim
Selbst des Trainers Augen leuchten
heute heller als man’s kennt
Der Druck – mein Gott! – ist abgefallen
Sein Vabanque–Spiel gegen Ungarn –
nicht auszumalen wagt er sich
wenn wegen seiner Trickserei
die Mannschaft rausgeflogen wäre
durch seine Schuld, allein durch ihn
Sein Job war auf dem Spiel gestanden
heute, gegen die Türkei
In der Kabine geht’s hoch her
„Wir fegen noch ganz andre weg
wenn`s sein muß, selbst die Magyaren“
(die gehen ihnen niemals aus dem Kopf)
das Non plus ultra des Turniers
Große Worte nach dem Sieg
Doch „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“
bleibt sich der Bundestrainer treu
Ein Bier! Mehr nicht zum Abendbrot
Die Reise soll doch weitergehen
Mal sehen, was wir noch reißen können
Obenauf ist auch die Presse
„Unsere Jungen!“ jubeln sie
aus vollem Journalisten-Herzen
Vergessen ist das Schmach-Gerede
Ex und hopp. Was schert mich gestern?
Sieger haben immer Freunde
gegen schönes Zeilengeld
Zwischen Todeswunsch und Vivat
paßt grade mal ein Blatt Papier
© Michael Zeller
(Erstveröffentlichung in den Musenblättern)
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