So, jetzt geht’s erst richtig los!
Abgehakt die Gruppenspiele
wo man noch taktieren konnte
und selbst bei einer Niederlage
keineswegs ausgeschieden war –
Herberger hat’s kalt genutzt
Jetzt aber: Jetzt gilt jedes Spiel
K.o.-System – Sieg oder draußen
Acht Mannschaften sind durchgekommen
und noch dabei das deutsche Team
diese Elf der Namenlosen
Keiner außer Käpt’n Walter
war im Ausland ein Begriff
Kohlmeyer, Liebrich, Toni Turek -
zur Weltelite zu gehören
davon durften die nicht träumen
waren da hinein geraten
durch geglückte Mannschaftsleistung
Und sollten sich zufrieden geben?
L’appetit vient à manger
Wer die letzten Acht geschafft hat
muß sich vor niemandem verstecken
Gestern noch Ziel kühnsten Wünschens
ist heut, erreicht, fast nichts mehr wert
Jetzt also gegen Jugoslawien -
Na und? Dann werden die dran glauben
mit ihren Klasse Einzelspielern
berühmt durch Spielkultur und Technik
„Tschik“ Cajkowski, Horvat, Zebec
dürfen auch Favoriten sein
„Männer, laßt die Jugos kommen
fangt sie kalt ab, kontert schnell
sollen sich vorne müde laufen“
Herberger setzt auf Defensive
und auf präzises Konterspiel
Das ist riskant bei dieser Mannschaft
die in den beiden Türken-Spielen
sich hinten böse Blößen gab
Zudem ist Posipal verletzt
So müssen Morlock und Fritz Walter
sich heut nach hinten orientieren
um die Verteidigung zu stärken
Das Mittelfeld ist ausgedünnt
Vorne lauern die drei schnellen
Schäfer, Ottmar, Helmut Rahn
Statt Kombinieren Überfälle –
so heißt des Trainers Marschbefehl
Und hingeschaut! Das klappt sogar
Kaum zehn Minuten sind gespielt
da erwischt der Stopper Horvat
ein Mann von riesenhafter Länge
mit dem Kopf den Ball zu gut
- und trifft. Bildschönes Eigentor!
Mit diesem Eins zu Null im Rücken
schon in der Eröffnungsphase
können sie sie kommen lassen
wenn – ja wenn die Abwehr steht
Die Jugos nutzen all den Raum
preisgegeben von den Deutschen
und legen Muster auf den Rasen
Kombinationen sind’s vom Feinsten
Immer neue Wellen rollen
vor das Tor von Toni Turek
der ganz schön gewackelt hat
in seinen beiden ersten Spielen
Heut wird er richtig warm geschossen
und er wächst mit jedem Schuß
den er unter sich begräbt
Seine Sicherheit steckt an
Turm in der Schlacht ist Werner Liebrich
zum ersten Mal als Mittelläufer
weil Jupp Posipal pausiert
Er regiert die Hintermannschaft
mit robustem Körpereinsatz
Doch mit Köpfchen spielt er auch
ordnet seine Nebenleute
schreit und kommandiert sie rum
wenn sie eine Lücke lassen
Aus der Verlegenheit geboren
ist das der Mann auf diesem Posten
wird’s bleiben bis zum letzten Spiel
Das Eins zu Null hält bis zur Pause
Schluck Tee und die Zitronenscheibe
Herberger bleibt bei seiner Linie
der massierten Defensive
und irgendwann – so sein Kalkül
müssen die Jugos müde werden
Zunächst ist davon nichts zu spüren
Mitic, Vukas, Bobek, Zebec
berennen weiter Tureks Tor
und wenn der mal ins Leere hechtet
steht auf der Linie Kohlmeyer
hält seinen breiten Schädel hin
und weil’s so gut klappt gleich noch mal
Zweimal verhindert er ein Tor
So ein Spiel ist Gift für Stürmer
wenn einfach nichts gelingen will
und die Zeit – sie läuft davon
jede Sekunde gegen sie
die Ball-Artisten Jugoslawiens:
Wund gelaufen haben sie sich
müd geschossen, Kraft vergeudet
und sie fangen an zu hadern
mit dem Fußballgott, auf Serbisch
Der Trainerfuchs Sepp Herberger
hat auch das noch eingeplant
In der letzten Viertelstunde
öffnet sich die deutsche Mannschaft
Fritz Walter, Morlock gehen nach vorn
im Vertrauen auf ihre Deckung
die heut zu sich gefunden hat
unter Werner Liebrichs Fuchtel
Sie füttern ihre Stürmer vorne
die noch frische Kräfte haben
waren ja kaum am Spiel beteiligt
Schaut wie schnell Hans Schäfer ist
an der linken Seite abgeht
eine Flanke schlägt auf rechts
wo Helmut Rahn – ja, wo blieb der denn?
auf das genaue Zuspiel lauert
Es kommt. Er faßt den Ball – und los!
Läuft dem Verteidiger davon
haut das Ding aus achtzehn Metern
hoch ins linke Tordreieck
Es sitzt. Beara liegt am Boden
der kaum geprüfte Mann aus Split
und mit ihm seine ganze Mannschaft
Zwei zu Null. Danach ist Schluß
Halbfinale! Meine Güte!
Wir sind bei den besten Vier
Uruguay und Österreich
Ungarn, Deutschland haben’s geschafft
Drei Länder aus Europas Mitte
mit Spielern, die im letzten Krieg
die Knochen hingehalten haben
im Taumel eines Menschenschlachtens
Drei dieser ausgezehrten Länder
im Vierer-Club der Weltelite
Zwischen schwarzrotgoldenen Fahnen
trägt man sie, die deutschen Sieger
auf Schultern von der Walstatt runter
verschwitzt und glücklich und kaputt
„Männer, gut habt ihr’s gemacht“
nimmt Herberger sie in Empfang
Wieder mal hat er bewiesen
daß Fußballsport auch planbar ist
wenn alle elf das Ihre tun
„Ein Drittel Glück. Ein Drittel Können“
ist eins von seinen goldenen Worten
die er hinterlassen hat
Das letzte Drittel? „Kameradschaft“
(Heut würde man’s team spirit nennen –
vielleicht liegt da der Unterschied?)
Die drei Drittel waren heut eins
Doch alles hängt am dünnen Faden
Ein derber Tritt auf Morlocks Hacke
gegen Schluß – der Knöchel blüht
Zum Bus muß er getragen werden
Ist das Turnier für ihn zu Ende
mit diesem wundervollen Sieg?
Noch andere Sorgen drücken Morlock
Seine Frau ist angereist
Ab morgen sollte Urlaub sein
Lago Maggiore war gebucht
ein Sehnsuchtsziel der deutschen Seele
nach harten Jahren dieses Kriegs
Statt Ferien heißt es Fußballspielen
wenn der verdammte Knöchel will
Was wird sich wohl Frau Morlock wünschen?
Doch wer fragt je nach den Frauen
in solchen hohen Augenblicken
wenn es ums große Ganze geht
für diese ballverliebten Knaben
und nebenbei Familienväter