Heinrich von Asterlagen
Ich weiß nich
Ich muß Sie mal ganz dumm fragen
Ich weiß nämlich nich
Ob Sie den Heinrich von Asterlagen gekannt haben
Sehnse
Da fangt et nämlich schon an denn
Der hieß ja auch in Wirklichkeit gar nicht so
In Wirklichkeit hieß de ja Hein Schlottmann
Aber da der von Asterlagen gebürtig war
Un immer ein Monokel trug
Hamwer immer gesagt:
Kumma da kommt Heinrich von Asterlagen
Also wo de ging un stand
Immer hatte de ein Monokel im Auge
(Dat muß doch auf de Dauer weh tun)
Un immer son Stronztuch oben in de Jackentasche
Un wenn de kam
Dann kam de immer grad aus Paris oder aus London oder aus
Düsseldorf
Un immer wie aus dem Ei gepellt
Aber wat de genau gemacht hat
Dat wußte kein Mensch
Irgendsowat mit Maschinenkram un Elektrozeug
Er selbst sagte ja immer:
Er wär Erfinder
Er hätte schon Sachen erfunden die gäb et gar nicht
Man hat ja gesacht er wär en Hochstapler
Haben viele gesagt
Ja wat willze machen
Wenn de vom Niederrhein bis
Da muße manchmal schon en bißken hochstapeln
Sons gehsse unter
Er hat sich ja selbst immer als Aschermittwochsheinrich bezeichnet
Mit dem Monokel im Auge
Un er hat immer gesagt
Wenn et denn so weit wär dann würde er nach einem Wundarzt
Rufen
Der sollt ihm dann de Adern öffnen
Er wollte wie Seneca im Bade das Zeitliche segnen
Mit Monokel
Un lächeln
Hat er immer gesagt er wär schon immer am üben bis zuletzt zu
Lächeln
Sein Lieblingswort war ja Contenance
Also französisch
Haltung
Bevor de seinen 30. Whisky pur trank rief er immer
Mesdames Messieurs Contenance
Du hass ihm aber auch nix angesehen
Wirklich nix
Keinen einzigen Whisky
De konnt sich ja beherrschen sag ich immer
Tja
Vorgestern hamwer ihn begraben
Nix mit Seneca
Mitten auf de Straß is er umgefallen
Herzgeschichten
Er wollt grad wieder nach Warschau verreisen
Wegen son Maschinenkram
Hatte am Abend vorher noch groß verkündet
In Warschau würd er immer int Hotel Bristol gehen
Da gäb et die hübschesten Mädchen
Un am anderen Morgen isser mitten auf de Straß umgefallen
Nix mit Warschau
Un jetzt is ja auch alles rausgekommen
Der war zwar in Paris un in London un in Warschau
Aber nix mit Maschinenkram un große Geschäfte un so
Er hat da immer nur drei Monate regelrecht geschuftet
Inne Fabrik oder auf em Bau
Um dann einen Abend bei uns zu Haus den großen Gönner zu
Spielen
Bei Hein Lindemann anne Thek
Er war eben ein Erfinder aber auf eigene Kosten
Wat de nich all erfunden hat nur um zwei Stunden lang
Den großen Mann zu spielen
Sie machen sich keinen Begriff davon
In sein Brieftasch waren mindestens zwanzig Adressen von Mädchen
Von überall her
Aber die gab et gar nich die Mädchen
Die hat de all erfunden
Dat is jetzt alles rausgekommen
Ich mein
Manchmal hat man ja schon mal gedacht da stimmt wat nich
Aber kein Mensch hat doch geahnt
Dat das alles nur Phantastereien waren
Aber wat willze machen wenn de vom Niederrhein bis
Se haben ihm ja noch das Monokel in den Sarg gelegt
Zu sein Stronztuch
Aber dat mit dem Lächeln
Dat hat nich geklappt
Dat is schief gegangen
De Pastor hat ja nix gesagt
Dat tut man ja auch nich
Aber hinterher hatte mich dann doch gefragt
Ja hab ich gesagt
Herr Pastor hab ich gesagt
Dat is bei uns so
Die einen haben et un die anderen müssen et erfinden
Ich sag Herr Pastor
Wat am Niederrhein nich alles schon erfunden worden is
In der Hinsicht
Nur um sich über Wasser zu halten
Da müßten Sie drei Mal am Tag predigen
Um dat alles unterzubıingen
Un Herr Pastor sag ich
Heinrich von Asterlagen der wie Seneca auf un davon gehen wollte
Da gibbet am Niederrhein Hunderte von
Alles Verrückte die keiner Fliege was zuleide tun
Höchstens sich selbst
Er hat doch vor drei Tagen noch groß gesagt
Er würd jetzt nach New York gehen da wär ein Erfinder-Kongreß
Ich halte den sogar dafür imstande
Daß er jetzt im Himmel zum lieben Gott sagt
Er müßt mal eben an den Niederrhein auf ne Patent-Messe
Un wenn de liebe Gott
Der ja ebenfalls ein Erfinder is
Einen guten Tag hat un en bißken wat vom Niederrhein versteht
Dann sagt er vielleicht:
Heinrich von Asterlagen
Ich gebe dir eine Stunde in der du zu Haus bei Hein Lindemann
Anne Thek stehen kannst un sagen sollst
Du wärst mit mir gerade dabei einen neuen Himmel zu erfinden
Ich glaub ja nich dat sowat möglich is
Aber schön wär et ja
Un in die eine Stunde
Wenn er dann käm
Da wären wir all da.
Hanns Dieter Hüsch
© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte dankenswerterweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.
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