Von der Heydt-Kulturpreis für Lutz-Werner Hesse
Förderpreis für Hank Zerbolesch
Verleihung am 23.11.2024 in der Immanuelskirche
Mit prächtiger Amtskette würdig ausgestattet, begrüßte OB Schneidewind das Festpublikum und wies zu Recht auf das Glück hin, eine solche Feierstunde zur Verleihung des wichtigsten Kulturpreises der Stadt Wuppertal (kreiert 1950) überhaupt abhalten zu können zu Zeiten, in den die Welt verrückt spielt. Leider spielt sie nicht nur, sondern gerät tatsächlich gefährlich außer Rand und Band.
Michael Zeller, von der Heydt-Preisträger 2008, hielt die Laudatio auf den Empfänger des Förderpreises Hank Zerbolesch, geb. 1981 (siehe Musenblätter). In Garath, sozialer Brennpunkt im Süden Düsseldorfs, wo man, wenn die Einsamkeit unerträglich wird, im „Kippchen“ sein „Bierchen“ trinkt, ist der zunächst als umtriebiger Slam-Poet bekannt gewordene Schriftsteller groß geworden. Der diesjährige Preisträger reiht sich ein in die Reihe der wichtigen Schriftsteller, die den Preis zuvor erhalten haben, darunter Heinrich Böll 1917-1985), Armin T. Wegner (1886-1978), Paul Pörtner (1925-1984), Karl Otto Mühl (1923-2020). In seiner Dankesrede erinnerte Hank Zerbolesch u.a. an André Wiesler (1974-2017), dem er unendlich viel an Anregung und Zuspruch zu verdanken habe, dankte seinem väterlichen Freund Michael Zeller, der ihm ein Vorbild sei, weil er alles für die Literatur gegeben habe, und er dankte sich selbst dafür, daß er sich täglich müht, besser zu werden. „Ich denke mir mein Leben aus und mach‘ das dann einfach“ faßt er zum Schluß bemerkenswert authentisch zusammen.
Die Laudatio auf den Haupt-Preisträger, den Komponisten Lutz-Werner Hesse hielt Prof. Susanne Müller-Hornbach. Sie hat mit ihm an der Musikhochschule Köln (Standort Wuppertal) jahrelang zusammengearbeitet, schätzt ihn als Freund und Komponisten, dessen Stücke sie selbst immer wieder aufführt und aufgeführt hat. Er komponiere leidenschaftlich. Das Komponieren, sagte sie, sei ihm ein zentrales Bedürfnis und seine Musik, fernab von avantgardistischen Moden, werde international, auch in Japan und in den USA aufgeführt, gefalle dem Publikum, was zuletzt bei der Uraufführung seines Doppelkonzertes für Flöte und Harfe mit dem Sinfonieorchester Wuppertal unter Beweis gestellt wurde. Sie selbst spiele immer wieder, gerne auch öffentlich seine Elegie für Solocello, bei der durch die unterschiedlichsten Ansätze des Cellobogens (nahe, jenseits des Stegs, nahe oder auf dem Griffbrett) ein breites Klanggemälde entsteht. Aus dem seit 1980 entstandenen umfangreichen Werk dieses bekannten Komponisten griff sie u.a op 82 heraus „Ich habe Dich gewählt…“Symphonisches Gedicht Nr. 2 nach Gedichten von Else Lasker- Schüler (2019), um auf die Vorliebe für Kompositionen unter Beteiligung menschlicher Stimmen aufmerksam zu machen. Das sinfonische Orchesterlied des 21. Jahrhunderts für großes Orchester, 2 Chöre, Orgel, Sprecher und Mezzosopran war als Auftrag der Wuppertaler Bühnen entstanden, macht den Ernst der Zeiten erlebbar. Die Uraufführung unter Julia Jones 2019 ist unvergessen
Die Laudatorin wies darauf hin, daß Hesse trotz ehrenhafter Angebote in Wuppertal geblieben sei, wo er seit 1983 wirkt, und darauf, daß er neben seiner Frau, der Malerin Ines Pröve Hesse, vor allem Gustav Mahler liebt, an dessen Büste in seiner Wohnung keiner vorbeikommt. Seine Leidenschaft für Espresso & Co., den er sozusagen als „Baristoteles“ jedem Gast gerne frisch braut, hat sie nicht erwähnt.
Sein Humor wird in der Musik, gelegentlich auch schon im Titel deutlich. Seine 4. Sinfonie nennt er „…abhanden gekommen“(op. 47), er schreibt „Variationen ohne Thema“ (op. 45) und komponierte weltumspannend „Von der Wolga zum Amazonas. Zwei nicht ganz ernst gemeinte Cantus-firmus-Stücke für Zupforchester“ (op. 61) sowie mehrfach für die chinesische Wölbbrettzither Guzheng. Produktionen für Puppen, Bariton und Orchester entstanden zusammen mit Müllers Marionettentheater. Das umfangreiche Werk des Komponisten zeichnet sich durch eine wirklich bemerkenswerte Vielseitigkeit aus. Im Januar 2025 wird sein Klaviertrio „Nordlichter“ op. 94 uraufgeführt.
Wie er sich in die Wuppertaler Stadtgesellschaft eingebracht habe und noch einbringt war dem Festpublikum auch ohne Laudatio klar. Er hat die Bergische Gesellschaft für Neue Musik (1997 -2012) gegründet und ihr vorgesessen. Die leider eingestellte Reihe „Kunsthochdrei“, bei der es um bildende Kunst, Literatur und Musik ging, hat er geprägt. Als Vorsitzender der Konzertgesellschaft Wuppertal, als Rektor der Musikhochschule fördert er seit Jahren die Musik im Tal, ist vielen Musikern des Sinfonieorchesters freundschaftlich verbunden und unterstützt deren Erziehungsarbeit für Kinder und Jugendliche nach Kräften. Dank profunder Kenntnis der Musik und seines lebendigen wie unterhaltsamen Vortrags erfreuen sich seine stets interessanten Einführungen in die Sinfoniekonzerte größter Beliebtheit.
Und was erwidert Prof. Hesse nach solch persönlicher, umfassender hymnischer Laudatio. „Au Backe“ sagte er bescheiden und bestätigt, daß er sich in der vielseitigen Alltagsstadt Wuppertal stets wohlgefühl habe, auch deswegen, weil er etwas habe bewegen können. Er schätze die kulturelle Szene im Tal unter ausdrücklichem Einschluß der wunderbar aktiven freien Kunstszene außerordentlich. „Ich fühle mich als Komponist überhaupt nicht im unnahbaren Elfenbeinturm der hehren Kunst“ und mahnt: „Allerdings wünsche ich mir für die Stadt mehr Bürger, die ja zu Neuem sagen und nicht nein!“
Zum Abschluß dieser sehr würdigen Feierstunde war sein fröhliches Flötenquartett op. 88 zu hören. Catarina Laske-Trier (Flöte), Carola Seibt (Violine) Florian Glocker (Bratsche), Joel Wöbke (Violoncello) waren pünktlich aus der Generalprobe her gestürmt und spielten mit Schwung und Freude dieses musikantische Werk mit Gassenhauerthema zu Beginn, später auch elegischen Schwingungen der Seele und wiederholten Tonartwechseln, Schmetterlingsflattern des Cellos und fulminantem Schluß. Langer Applaus.
Übrigens: Vor Hesse gab es nur drei Komponisten als Preisträger: 1952 Fritz Christian Gerhard (1911-1993) und Erich Sehlbach (1898-1985) sowie 1987 Ulrich Leyendecker (*1946).
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