Profis Ein Bettel-Clan verschüttet sein humanes Streugut in der Innenstadt. Minuten später gehen wir durch den Skulpturenpark der Demut. An jeder Ecke gedrechselt: Klappfiguren. Kniend mit gefalteten Händen, liegend, die Stirn auf das Pflaster gepreßt, stundenlang harren sie so aus, geknickt zwischen Krücken, die Köpfe gebeugt, das Leiden des INRI am Kreuz ist nichts gegen diese Profis der Passion. Sieh mal da, die Gottesanbeterin. Aufrecht kniet sie, hinter der Fangmaske reiner Entsagung summt sie das Vaterunser aller Geldgebete: Wirf eine Münze, so wird meine Seele gesund. Wie hält sie das so lange durch, den ganzen Tag in dieser Haltung? Ich hab gehört, jeden Morgen nähmen sie ein Schlückchen Liquid Ecstasy, dann spürten sie keine Schmerzen. Wer weiß schon, ob das stimmt, jedenfalls: Die ganze Fußgängerzone ist ausgelegt, verziert mit den Intarsien dieser Inbrunst, eine Ausstellung, als solle man die Armut heilig sprechen. Einen Moment lang bin ich bereit, an Wunder zu glauben: Ich werfe eine Münze und erwarte nichts weniger, als daß Wundmale anfangen zu bluten. Hellmuth Opitz