Am 22. Januar vor 80 Jahren
starb die Dichterin Else Lasker-Schüler
Mit einem Liederabend, Lesungen, Ausstellungen und der
Inszenierung ihres Theaterstücks „Die Wupper“
wird an die in Elberfeld geborene Künstlerin erinnert
„Ihre Themen waren jüdisch, ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch.“ So der Arzt und Dichter Gottfried Benn über seine zeitweilige Geliebte, die Dichterin und Malerin Else Lasker-Schüler. Die starb am 22. Januar 1945 - vor 80 Jahren - im Alter von 75 Jahren verarmt in Jerusalem. Geboren wurde sie am 11. Februar 1869 als Tochter eines jüdischen Bankiers in Wuppertal-Elberfeld. In der bergischen Metropole residiert die engagierte Else Lasker-Schüler-Gesellschaft (ELS-Gesellschaft), die das künstlerische Erbe der Dichterin nicht nur bewahrt, sondern immer wieder auch mit neuen Aspekten und Verbindungen ins Gedächtnis ruft.
Lasker-Schülers Gedichte, vor allem ihre Liebesgedichte sind der bis heute bekannteste Teil ihres künstlerischen Schaffens. Doch neben Lyrik, Prosa, Theaterstücken, Essays und zahllosen Briefen hat sie auch ein eigenständiges zeichnerisches Werk hinterlassen. In ihren Texten sind glühende Fantasie, leidenschaftliche Religiosität des Judentums und nicht zuletzt Liebe zur deutschen Sprache und deutschen Kultur zu finden. Kurz bevor sie wegen der Machtergreifung Hitlers im Nazi-Deutschland - ihr Großvater war Rabbiner - ihre Heimat verlassen mußte, wurde sie noch 1932 mit dem renommierten Kleist-Preis geehrt.
Am Todestag der Schöpferin schönster Liebesgedichte wurde im schweizerischen Attenweiler ihr zu Ehren eine Ausstellung mit Bildern der Künstlerin Marlis E. Glaser eröffnet. Sie läßt sich seit fast 25 Jahren von den Gedichten der weltberühmten Lyrikerin inspirieren. Der in Berlin lebende Tenor und Kantor Yoed Sorek hat einige der Gedichte vertont und trägt sie bei der Ausstellung vor. Anläßlich des Geburtstages von Lasker-Schüler, die sich in ihren Werken und Briefen immer „Prinz Jussuf von Theben“ nannte, erinnert die Gesellschaft nach den Worten ihres Vorsitzenden Hajo Jahn am 11. Februar in der Citykirche von Elberfeld ein Gedenkkonzert.
Dabei gibt es auch die Uraufführung vertonter Liebesgedichte zwischen der Dichterin und dem Schriftsteller Gottfried Benn. Die Beziehung der beiden gilt bis heute als eine „der wildesten Liaisons der Literaturgeschichte“, hieß es im Vorfeld des Konzerts, das am 10. April im Musikinstrumenten-Museum in Berlin wiederholt wird. Am 17. Februar veranstaltet das Deutsche Literaturarchiv Marbach im Düsseldorfer Malkasten ein „Treffen“ der Lyrikerin mit dem Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926). Den österreichischen Lyriker verband in seinen Gedichten einiges mit der deutsch-jüdischen Dichterin. Beide stehen für den Aufbruch der Dichtkunst in die Moderne.
Zudem findet das inzwischen 25. Forum der ELS-Gesellschaft statt. Diesmal in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam. Im 80. Todesjahr von Lasker-Schüler will man - laut Jahn - auch an den Tod des jüdischen Mädchens Anne Frank erinnern, deren Versteck an die Nazis verraten und die vor 80 Jahren im KZ ermordet wurde. Auch das Ende des 2. Weltkriegs und die Befreiung der Niederlande von den deutschen Besatzern vor acht Jahrzehnten wird Thema des Forums sein, über das Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Schirmherrschaft übernommen hat.
Auch eine Ausstellung mit Zeichnungen und Büchern der Dichterin und Malerin ist in der Öffentlichen Bibliothek Amsterdam geplant. In Berlin und Zürich, zwei wichtigen Stationen im Leben und Lebenswerk der Lyrikerin und Malerin finden im Jahresverlauf weitere Veranstaltungen anläßlich ihres 80. Todestages statt. Lasker-Schüler gilt als wichtiger Teil der frühexpressionistischen Literaturszene in der damaligen Hauptstadt. Ihre Werke sind bestimmt durch ihr Auseinandersetzen mit Religion, Juden- und Christentum sowie ihrer Familie.
Wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschwört Lasker-Schüler in ihren Gedichten und Zeichnungen immer wieder den Orient als märchenhafte Gegenwelt. Sich selbst setzte sie darin vornehmlich als den hoffnungslos liebenden Träumer Prinzen Jussuf in Szene, Herrscher über Theben und den ganzen Vorderen Orient. In schrille Gewänder gekleidet, begleitet von Flöten, Trommeln und Rasseln, deklamierte sie ihre Gedichte auf den angesagten Bühnen Berlins. 1912 erschien mit dem Titel „Mein Herz“ ein Liebesroman Lasker-Schülers. Ein Jahr drauf dann „Hebräische Balladen“, danach weitere Bücher wie „Der Malik“ im Jahr 1919.
In Berlin lernte sie über ihren Kunstlehrer Simon Goldberg auch andere Künstler kennen, die sie in die „Neue Gemeinschaft“ mitnahmen, einen Szenetreff von überwiegend exzentrischen Malern, Musikern und Schriftstellern, wo sich die wohl schillerndste Figur der damaligen Literaturszene wohlfühlte. Ihr 1902 veröffentlichter Gedichtband mit dem Titel „Styx“ fiel bei der Kritik durch. Zwei Ehen scheiterten. Mit Gottfried Benn (1886-1956) lernte sie um das Jahr 1912 einen verläßlichen Freund und Autor kennen. Zu ihren Freunden in dieser Zeit zählten auch die Maler George Grosz, Oskar Kokoschka, Karl Kraus und besonders Franz Marc. Mit letzterem unterhielt sie einen engen Schriftverkehr. Beide schickten sich zahllose selbstgemalte Postkarten.
Der Amtsantritt Hitlers als Reichskanzler 1933 änderte wenig später alles für Lasker-Schüler. Die jüdische Dichterin emigrierte vor den Nationalsozialisten zunächst in die Schweiz, wo sich der Erfolg nicht mehr so recht einstellen wollte. Dann, im April 1939 siedelte sie inzwischen 70 Jahre alt nach Palästina über, wo die mittellose und vereinsamte Künstlerin auch keine neue Heimat fand. 1943 veröffentlicht sie in Jerusalem ihren letzten, vielleicht schönsten Gedichtband mit dem Titel „Mein blaues Klavier“. In einem der Gedichte heißt es: „Ach liebe Engel öffnet mir - Ich aß vom bitteren Brote - Mir lebend schon die Himmelstür - Auch wider dem Verbote“. Das Buch widmete sie „Meinen unvergeßlichen Freunden und Freundinnen in den Städten Deutschlands - und denen, die wie ich vertrieben und zerstreut. In Treue!“. Das Grab der Lyrikerin befindet sich auf dem Ölberg vor den Toren Jerusalems.
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