Maurice de Vlaminck (1876-1958) : Rebell der Moderne
Von der Heydt-Museum Wuppertal 16.02. – 18.05. 2025
Von Johannes Vesper
Beide, das Von der Heydt-Museum und das Museum Barberini Potsdam, haben zusammen diese nach knapp 100 Jahren erste posthume Ausstellung in Deutschland realisiert. Beide Sammlungen zeigten sich dafür in besonderer Weise geeignet und motiviert. Die Sammlung Hasso Plattner verfügt mit neun Gemälden Vlamincks über den umfangreichsten Bestand in Deutschland und im Von der Heydt-Museum konnten als einem der ersten Museen in Deutschland schon 1911 seine Bilder gezeigt werden: ein Stilleben (Katalog 66, bzw. auch Umschlagbild auf dem Katalog) und seit 1912 Flußlandschaft (1937 als « entartet » beschlagnahmt und seitdem verschollen). Heute befinden sich drei Werke (Schenkungen) im Von der Heydt-Museum: Zusätzlich zum Stilleben (s.o.) Drei Häuser (1910 Kat. 58) und Segelboote (vor 1918 Kat. 63), in der Ausstellung 50 Gemälde von Vlaminck und 10 Gemälde anderer Künstler der Zeit, die sein Werk sozusagen kommentieren. Diese umfassende Ausstellung war nur möglich dank Leihgaben aus aller Welt (u.a.Tate London), Albertina (Wien), Art Institute of Chicago, Brooklyn Museum (New York), Centre Pompidou, Hamburger Kunsthalle, Musée d’Orsay, Museum Ludwig (Köln), Staatl. Museen zu Berlin.
« Ich war ein verliebter ungestümer Barbar. »
Dabei hatte er mit dem Hochrad begonnen und wollte mit 15 Jahren Radsportler werden, beteiligte sich an Radrennen und boxte auch wettkampfmäßig. Nach einer Typhuserkrankung gab er seine Karriere als Sportler auf, lernte Geige und verdiente sich als Musiker abends Geld. Erst 1900 lernte er André Derain kennen, der ihn als Geiger gemalt und zur Malerei motiviert hat. Die erste Ausstellung von van Gogh (1901) beeindruckte ihn erheblich. 1905 stellte er beim Salon des Indépendants zusammen mit Matisse, Derain, Rouault u.a aus, die wegen der ihrer ungezügelten Farbigkeit Aufsehen erregten und Fauvisten genannt wurden. Er selbst hatte keine akademische Ausbildung genossen, malte aus sich heraus, wollte nicht die Welt abbilden sondern nur Farben, blieb dabei aber gegenständlich. Das Publikum sprach von kindlichen Schmiererein aber der Galerist Villard kaufte ihm sein ganzes Atelier leer. Seine Malerei ist charakterisiert durch wüste, reine, ungemischte Farbgebung direkt aus der Tube. Ihm ging es nur um die Farbe selbst und seine Emotionen im Umgang damit. Kraftvoll und ungestüm stürmte sein Pinsel über die Leinwand, bedingte oft eine reliefartige Farbschichtung. Als Pleine-air-Maler par excellence war er oft für seine Landschaftsgemälde mit dem Fahrrad an die Seine hinausgefahren, hatte immer wieder den Fluß mit seinen Brücken, Booten und Schiffen gemalt. Mir fielen bei diesen Bildern die hohe Wasserlinie auf, ebenso die oft unmotivierte Farbigkeit von Wasser und Himmel. Struktur- und Farbwiederholungen (z.B. Die Boote 1905) ließen den Museumsdirektor gar von « einem Pizzicato der Farben » sprechen. Singen vielleicht sogar seine Farben? Er selbst hat dazu geäußert: « Ich komponierte (meine Bilder) aus dem Instinkt. »
Seiner Wildheit und den Fauves blieb er nur wenige Jahre treu. Nachdem Georges Braques und Pablo Picasso 1908 den Kubismus erfunden hatten, malte er mit « Opium » (um 1910) ein einziges Bild in diesem Stil. Seine Stilleben (bis 1911) erinnern einen an Cézanne. Woran er mit der immer wieder dargestellten blauen Teekanne erinnert, weiß man leider nicht.
Den verschiedenen Aspekten des Œuvres hat Kuratorin Anna Sturm jeweils eigene Räume gewidmet.
1912 reist er in die USA, verkaufte Werke an den bekannten Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler und stellte bei Flechtheim in Düsseldorf aus, dort immer wieder (große Einzelausstellung 1929). 1927 erschien eine erste Biographie über ihn. Als er 1914 zum Militär eingezogen wurde ließ die Produktivität nach. Nach dem 1. Weltkrieg malte er Schneelandschaften, Wälder eher düsteren Charakters. Die explosiven Farben früherer Jahre waren verflogen.
Unklar ist sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. Dazu gibt es ein eigenes Kabinett mit Informationen. Zwar wurden 1937 seine Bilder beschlagnahmt (so in Essen, Köln und Wuppertal), dann aber auf der Ausstellung « Französische Kunst der Gegenwart » in der Preußischen Akademie der Künste in Berlin gezeigt, nicht aber als « Entartete Kunst » in München. 1941 reiste er zusammen mit anderen französischen Künstlern auf Einladung nach Deutschland, lobte die deutsche, germanische NS-Kunst, malte ein Porträt von Arno Breker und polemisierte gegen Pablo Picasso. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er wegen dieser Sympathien in Frankreich nicht mehr so geschätzt. Immerhin gab es 1952/53 über ihn einen Film im französischen Fernsehen. Er stellte auch zu der Biennale in Venedig aus. Und zum 80. Geburtstag zeigte die Galerie Charpentière in Paris eine Retrospektive.
Auf das umfangreiche Rahmenprogramm der Ausstellung in Wuppertal sei hier besonders hingewiesen.
Zu den Ausstellungen in Potsdam (14.09.24-12.01.25) und Wuppertal (16.02.-10.05.25) erscheint ein opulenter Katalog mit Essays über Vlaminck und den Fauvismus (Heinz Widauer), seine « Anarchie der Farbe » (Daniel Zamani), seine Tubenmalerei (Matthias Krüger), das Verhältnis zu van Gogh (Lisa Smit), bzw. zu Cézanne und Casals (Anna Storm) sowie ergänzende Beiträge von Sterre Barentsen und Jaqueline Hartwig. Bei exzellentem Farbdruck erscheinen Pinselstriche und Reliefstruktur der Gemälde außerordentlich plastisch.
Maurice de Vlaminck - Rebell der Moderne
Herausgegeben von Roland Mönig, Michael Philipp, Anna Storm und Ortrud Westheider,
© 2024 Museum Barberini / Museen der Hasso Plattner Foundation Gmbh Potsdam / Von der Heydt-Museum Wuppertal, Autoren und Prestel Verlag München London New York , gebunden, 24x30 cm, 220 Seiten, 200 Farbabbildungen 45,-€
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