Die Heimath

von Friedrich Hölderlin
Die Heimath
Sechsstrophige Fassung

Froh kehrt der Schiffer heim an den stillen Strom,
Von Inseln fernher, wenn er geerndtet hat;
So käm’ auch ich zur Heimath, hätt’ ich
Güter so viele, wie Leid, geerndtet.

Ihr theuern Ufer, die mich erzogen einst,
Stillt ihr der Liebe Leiden, versprecht ihr mir,
Ihr Wälder meiner Jugend, wenn ich
Komme, die Ruhe noch einmal wieder?

Am kühlen Bache, wo ich der Wellen Spiel,
Am Strome, wo ich gleiten die Schiffe sah,
Dort bin ich bald; euch traute Berge,
Die mich behüteten einst, der Heimath

Verehrte sichre Grenzen, der Mutter Haus
Und liebender Geschwister Umarmungen
Begrüß’ ich bald und ihr umschließt mich,
Daß, wie in Banden, das Herz mir heile,

Ihr treugebliebnen! aber ich weiß, ich weiß,
Der Liebe Laid, diß heilet so bald mir nicht,
Diß singt kein Wiegensang, den tröstend
Sterbliche singen, mir aus dem Busen.

Denn sie, die uns das himmlische Feuer leihn,
Die Götter schenken heiliges Laid uns auch,
Drum bleibe diß. Ein Sohn der Erde
Schein’ ich; zu lieben gemacht, zu leiden.
 

Friedrich Hölderlin