Alarmsignal an Berlin
NRW-Kommunalwahl: Ergebnis wirkt trügerisch
Von Lothar Leuschen
Die Reaktion der Bundesspitzen von CDU und SPD war erwartbar. Beide Parteien scheinen dem Teufel in der Kommunalwahl in NRW noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein. Das kann die CDU vielleicht sogar noch behaupten. Schließlich überbot sie ihr Bundestagswahl-Ergebnis um fünf Prozentpunkte. Aber die AfD hat ihr Ergebnis verdreifacht und macht es den Christdemokraten in den Rathäusern und Landkreistagen in Zukunft erheblich schwerer, ihre Politik umzusetzen. Noch schlimmer ist das Ergebnis für die SPD. Nur leicht verloren, also laut Parteichefin Bärbel Bas kein Desaster erlebt zu haben, ist im einstigen Stammland schon ein Grund zur Freude. Wenn die Basis im größten Bundesland weiter erodiert, wird der Weg zurück zur Volkspartei ein unüberwindlicher. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt Gelsenkirchen, wo sich die einstige Arbeiter- und Aufstiegspartei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der in Teilen rechtsextremistischen Partei liefern muß. Die AfD wird die Stichwahl am 28. September wie in Duisburg selbstverständlich verlieren. Aber sicher ist, daß sie vor den Toren der Rathäuser steht und womöglich bald Ämter erobern kann.
Es ist längst Aufgabe der schwarz-roten Bundesregierung, daraus die politischen Konsequenzen zu ziehen. Die bedeuten nicht, den Unsinn der AfD zu übernehmen, das zahlt nur aufs Original ein. Die Koalition muß ihren eigenen Stil, ihren eigenen Weg finden. Dazu gehört die Einsicht, dass ein Land seinen Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl gibt, die Dinge seien geregelt, alles laufe seinen geordneten Gang und es werde nicht länger dem nachgegeben, der im Moment die beste Lobbyarbeit hat. Wenn Kanzler Friedrich Merz (CDU) nach 34 Prozent Zustimmung für seine Partei an Rhein und Ruhr immer noch das Gefühl haben sollte, Konsequenzen ziehen zu müssen, dann sollte in deren Zentrum nicht die AfD stehen, sondern die Qualität und die Produktivität in der Regierungsarbeit mit der SPD. Das läge auch im Interesse der Sozialdemokraten. Als reformfähige Partei hat sie mehr Chancen auf Zukunft als mit dem ewigen Aufguss ihrer Vergangenheit.
Der Kommentar erschien am 15. September in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
|