Bildschön

Beim 6. Saisonkonzert glänzte das Sinfonieorchester Wuppertal unter Andrea Quinn

von Frank Becker

www.musenblaetter.de
Schwelgerische Bilder

Gershwin, Villa-Lobos, Tower, Barber
und
ein Mundharmonika-Solist eroberten das Publikum
 

Weltenbummler waren beim 6. Sinfoniekonzert der Saison nicht nur die aufgeführten Komponisten, sondern auch die beiden Hauptpersonen auf dem Podium: die Dirigentin Andrea Quinn, Engländerin, ist derzeit Chefdirigentin des Sinfonieorchesters der Norlland Opera im schwedischen Umeå, der amerikanische Mundharmonikavirtuose Robert Bonfiglio ist ein weltweit gefragter Solist an seinem raren Instrument.
 
Mit einer im besten Wortsinn bildschönen Aufführung von George Gershwins „An American in Paris“ (1928) gelang Quinn und dem Sinfonieorchester Wuppertal eine mustergültige Interpretation dieses mit- und hinreißenden Werkes. In Perfektion und mit praller Lebendigkeit gelang es, die Bilder nachzuzeichnen die der geniale Komponist vorgegeben hat. Da erlag man über weite Passagen der Versuchung, die Augen zu schließen und die Impressionen des berühmten Films von Vincente Minelli zu sehen, der die Musik transportiert und durch den einmaligen Gene Kelly und seine zauberhafte Partnerin Leslie Caron unvergeßlich geworden ist. Es gelang! Der schwelgerische Streicherapparat, die brillante Solo-Trompete und die punktgenauen Pauken taten unter Andrea Quinns engagiertem Dirigat das ihre, für eine der besten Interpretationen des „Amerikaners in Paris“ zu sorgen die ich je hören durfte. Ein ungetrübter Genuß.
 
Vermutlich lag es an der Auswahl des folgenden Stücks, daß der schöne Saal der Wuppertaler Stadthalle nur reichlich zur Hälfte besetzt war. Konzert-Angsthasen fürchteten wohl bei Heitor Villa-Lobos´ Konzert für Mundharmonika und Orchester (1955) Erinnerungen an ihre Pfadfinderzeit oder die Matrosen-Romantik der Haifischbar mit Heidi Kabel. Das war ein verhängnisvoller Fehler der Ferngebliebenen, denn der sympathische Roberto Bonfiglio gestaltete das delikate dreisätzige Konzert auf seiner chromatischen Mundharmonika zu einem traumverlorenen Schwebezustand zwischen Poesie und Dramatik – ihm zur Seite vor allem wieder die Streicher in feinfühliger Zartheit. Wer die Adler-Brüder, Matthias Bröde, Jean „Toots“ Thielemans oder Mike Turk kennt, weiß um den magischen Klang des Instruments. Der brausende Applaus und die minutenlangen Ovationen legten Zeugnis vom Rang der Darbietung Bonfiglios ab. Er bedankte sich mit immerhin vier Zugaben, drei davon auf seiner Blues-Harp, einer diatonischen Mundharmonika, die er aus der Tasche zauberte und mit der er seine Blues-Wurzeln bei Muddy Waters und Jr. Walker eindrucksvoll zeigte. Selten wurde ein Solist eines Wuppertaler Konzerts derart gefeiert.
 
Mit der aufgesetzt wirkenden, mit Pomp und Getöse überladenen „Fanfare for the Uncommon Woman“ von Joan Tower wurde nach der Pause der musikalische Faden wieder aufgenommen. Obwohl sich bald herausstellen sollte: als Hors d´œuvre für die Sinfonie Nr. 1 op. 9 (1936) von Samuel Barber gerade richtig – eine gute Wahl. Barbers Sinfonie glitt „in einem Rutsch“ (Satzpausen werden nicht gemacht) bewegt, temperamentvoll, zart und episch, schließlich noch einmal aufjubelnd angenehm ins Ohr. Wer es heute versäumt hat, dieses vorzügliche Konzert zu hören, hat am Montagabend um 20.00 Uhr noch einmal Gelegenheit. Eine Konzerteinführung gibt um 19.00 Uhr Prof. Dr. Lutz-Werner Hesse.
 
Weitere Informationen unter: www.sinfonieorchester-wuppertal.de