v.l.: Dr. Henrike Stein, Daniel Kupke, Dr. Beate Eickhoff, Markus Karstieß, Jaana Caspary, Dr. Roland Mönig - Foto © Frank Becker
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Von der Heydt-Museum Wuppertal
Markus Karstieß Freundschaftsanfrage No.3 -
Jaana Caspary Dieter Krieg-Preis -
Guido Jendritzko zum 100. Geburtstag.
Drei Ausstellungen auf einer Etage
11. Oktober 2025 bis 08. Februar 2026
Warum drei Ausstellungen auf einmal? Eine erste Freundschaftsanfrage stellte das von der Heydt Museum erstmalig 2022 an den Fotografen Hans-Christian Schink, die zweite an die Malerin Franziska Holstein 2023 und jetzt an den Bildhauer Markus Karstieß. Mit den „Freundschaftsanfragen“ soll eine neue Sicht auf die Sammlung des Museum angestoßen werden. Da ist es plausibel als 3. Ausstellung in dieser Reihe nach Fotograf und Malerin einen Bildhauer anzusprechen. Daß zum 100. Geburtstag Guido Jendritzko in Wuppertal, der Stadt in der er lange gewirkt hat, ausgestellt wird, leuchtet ebenfalls ein. Und als das Von der Heydt-Museum den Dieter Krieg-Preis erhielt und mit dem Preisgeld ein Werk von Jaana Caspary erwerben konnte, wollte man diese Künstlerin und die Neuerwerbung (Double Box 2023, Bronze 32x25x25 cm) natürlich ebenfalls ausstellen. Die Dieter Krieg- Stiftung (München) pflegt das Werk des deutschen Malers Dieter Krieg (1937-2005). In der Sammlung des Museums befindet sich ein Gemälde seiner Serie „Malsch Wanne“. Der Preis „Allen Malern sei Dank“ wurde bisher an das Kolumba Museum Köln, das Kunstmuseum Bonn, das Kunstmuseum Stuttgart und das Lenbachhaus verliehen.

Markus Karstieß, Figur Nr. 5 - Foto © Frank Becker / © VG Bild-Kunst Bonn
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Markus Karstieß, 1971 in Haan geboren, hat bei Jannis Kounellis an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Seit 2017 unterrichtet er am Institut für künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz. Seine zahlreichen Ausstellungen und kuratorischen Projekte sind in der Ausstellungsbroschüre über ihn aufgelistet (Herausgegeben von Roland Mönig, mit einem Text von „Die sich erinnernde Zukunft“ von Anika Bruns). Er selbst nutzt für seine Kunst vor allem Keramik, eine archaische Technik, die er als

Markus Karstieß, Blauer mit Schlange - Foto © Frank Becker /
VG Bild-Kunst Bonn
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„Kulturspeicher“ versteht, und scheut damit nicht die Nähe zum Kunsthandwerk. Seine Keramik im 1. Raum fällt auf durch glänzende Glasuren, aufregend höckrige, unruhig strukturierte Oberflächen der Skulpturen, die mit Teufelsohren und maskenartig angedeuteten Gesichtern an groteske Fabel- oder Bühnenwesen erinnern. Keramikmasken mit Augen aus antiken Tonscherben schauen von den Wänden. Die Unwägbarkeiten, die beim Brand Veränderungen am Kunstwerk bewirken (Tropfen der Glasur, Bruch von Keramik u.a.) empfindet der Künstler nicht als Katastrophe, nicht als Fehler, sondern als Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeiten (z.B. „Narziss“, oder „Gigant-Cadmium-Wesen (Fetisch) 2015“). Manche Figuren erinnern an schlanke, schlaksige Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Seine Faszination für die Keramik begann, als er auf Lucio Fontana stieß, dessen keramische, unregelmäßige Kugeln mit ausgerissenen Oberflächenlöchern ihn stark beeindruckt haben. Eine davon aus der Sammlung des Museums hatte Karstieß für die Freundschaftsanfrage ausgewählt. Die Materialbearbeitung „unmittelbar mit Händen, Füßen“, das „Bewegen der zähen Masse durch einen Menschen“ das interessierte ihn.
Die Zeit um 1900 scheint es ihm besonders angetan zu haben, setzt er seine Skulpturen im weiteren Verlauf des Rundgangs doch mit Gemälden von Edvard Munch und Paula Modersohn-Becker in Beziehung. In Raum 2 („Nachtlager“) hat er vieles, was ihn im Laufe des Lebens interessiert, hat quasi abgestellt. Hinter metallischen, an Gerüstmaterial erinnernden Stangen sind an einer Bildwand Gemälde von Ferdinand Hodler (1853-1918) oder Else Lasker-Schüler (1869-1945) zu sehen. Gegenüber befindet sich das Werk „ohne Titel“ seines Lehrers Jannus Kounellis, deren Gipsabdrücke berußt sind. Mit seinen Dirty Corners (im 3. Raum) (ca. 2m hohe Raumecken aus Keramik, Lüsterglasur und geschmiedeten Stahlsockeln) wird der Raum strukturiert. Der Zusammenhang mit den beiden Gemälden von Munch an dessen Wänden erschließt sich nicht unmittelbar. Die vergoldeten Keramikabformungen (Stellar Stoner) neolithischer Steinformen erscheinen wie Sterne in einem Raum mit Werken von Modersohn-Becker. Im letzten Raum endlich geht es um weißglasierte Surfbretter auf dem Parkettboden, auf denen gelbe Zitronen, ein Eimer oder auch eine unbekleidete weiße Schöne liegen(Wayfarers). Eine große gelbe Zitrone wird von einem Mann, von dem nur der Oberkörper über das Parkett herausragt, vielleicht durch Wasser geschoben. Mit diesen Keramiken und ihren farbigen Applikationen, hier Zitronen in Neapelgelb, sucht der Künstler die Auseinandersetzung mit den Florentinern Luca und Andrea della Robbia aus dem 15. Jahrhundert.

Guido Jendritzko, Arbeit aus dem Nachlaß - Foto © Frank Becker / Rechtsnachfolger
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Drei Räume sind Guido Jendritzko (1925-2009) gewidmet, der in den 50er Jahren mit expressiven Skulpturen des Informel international bekannt geworden ist. 1959 war er mit drei Skulpturen auf der Documenta II vertreten, die dort neben Henry Moore,

Guido Jendritzko, Komposition XV vor der Gesamtschule Uellendahl-
Katernberg - Foto © Johannes Vesper
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Hans ARP u.a. zu sehen waren. Eine der dort gezeigten Skulpturen steht heute, fast zugewachsen, vor der Gesamtschule Uellendahl-Katernberg an der Kruppstraße in Wuppertal. Seit 1964 lebte er in Wuppertal und unterrichtete an der hiesigen Werkkunstschule, und seit 1973 an der Gesamthochschule daselbst. Seine künstlerische Entwicklung entwickelte sich von Skulptur und Grafik hin zu Aktion und Performance in der 1970er Jahren, zur Fotografie (1980er) und später zu seriellen Arbeiten. In der Ausstellung finden sich Skulpturen, Tuschezeichnungen und fotographische Kollagen aus der Sammlung des Museums, ergänzt um Werke aus dem Nachlaß. Exemplarisch für seine Fotoarbeiten kann „Liebe, Liebe, Liebe“ von 1986 gelten (Distribution II), zwanzig weiße Rahmen je 30x 40 cm als Hochformate in vier Reihen a fünf übereinander angeordnet. In diesen Rahmen wechseln zehn Schwarz- Weiß- Fotografien (ineinander verschränkte nackte weibliche Körper, ein männlicher Rückenakt Doppelbelichtung mit Aufschrift „Wut“) mit zehn Aquarellen, davon fünf mit einem orangenen Motiv und insgesamt fünf geschriebenen Wörtern: „Wut, Schande, Neid, Rache und Gewalt“. Das Verhältnis von Frau und Mann erschien Jendriztko also nicht unproblematisch. Auffällig ist bei dem Werk, daß die Aquarelle nicht exakt ihren Rahmen ausfüllen. Der Untertitel bezieht sich auf Garcia Lorca’s Theaterstück „Das Publikum“ und das Werk als solches auf den Begriff der Bildersprache. Die Fotos der nackten Frauenkörper entstanden bei seinen „Intim-Performances“, kurzen Szenen, die fotografisch festgehalten wurden und bei denen er selbst stets auch nackt posierte. Die „Teilnahmslosigkeit der Bäume“(1989) erinnert mit zahllosen kleinen Porträtfotos an Widerstandskämpfer in Italien. In den „Regelwerken“ - Fotoarbeiten mit frei erfundenen, gemalten Schriftzeichen ab ca. (1990) - greift er das Thema der Bildersprache wieder auf, wobei die Sinnfreiheit der Schriftzeichen eine verbale Kommunikation im engeren Sinne ausschließt. Er starb, nachdem Fans von Borussia Dortmund ihn im September 2009 im Hauptbahnhof Wuppertal umgerannt hatten. Sein breitgefächertes ideenreiches Werk hätte vielleicht auch einen größeren Rahmen verdient.

Jaana Caspary, Blick in die Ausstellung - Foto © Frank Becker
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Die Dritte im Bunde ist die Wuppertalerin Jaana Caspary, geb. 1988, deren Werk u.a. 2023 im Skulpturenpark Waldfrieden Tony

Jaana Caspary, Double-Box 2023, Foto: VdHM / © VG Bild-Kunst Bonn
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Craggs, beim Kunstverein Schwäbisch Hall, in der Stadtsparkasse Wuppertal und zuletzt in der Galerie Lüdenscheid zu sehen war. Sie formt banale Alltagsgegenstände ab, indem sie z.B. aufblasbare Formen (gerne Sitzpolster oder Matratzen) mit einem feinen Material überzieht und diese Oberfläche nach Trocknung schleift oder anderswie bearbeitet. Nur selten findet sie zu eigenen Formen im Raum wie „in flames“ (Polyurethan, Acrylfüller, Lack“). Diese Skulptur erinnert an die größere Skulptur „Upside down“, die nach der Ausstellung „Ebenda“ 2023 im Skulpturenpark Waldfrieden verblieb. Beim Neuerwerb („Double Box“) handelt es sich um zehn en Bloc zusammengestellte Polster, die in, grünlich patinierte Bronze gegossen, präsentiert werden. Das Hauptwerk des Saales besteht aus vier ebenfalls grünlichen Sofas und vier Matratzen, die zusammen in gespiegelter Position zusammen an der Wand hängen. Wie weit solche in dieser Ausstellung vor allem gezeigte Alltagsformen auf Dauer skulpturale Potenz und künstlerische Bedeutung entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Immerhin sprach Roland Mönig von einem beachtlichen Tempo ihrer formalen Entwicklung in den letzten Jahren. Die goldene, wie mit einem Tuch umwickelte Skulptur „Swirl“ war auch im Skulpturenpark zu sehen, entfaltete dort bemerkenswerte Lichteffekte in der Sonne und Kontraste im Schnee.
Das Buch über Yaana Caspary bei Kerber Art mit zahlreichen Abbildungen, Essays von Thomas Hirsch, Marlene Baum, Christina Irrgang, Robert Fleck, Ihrer Biografie, ihren Ausstellungen bietet Interessierten viele Informationen (Jaana Caspary – Umformung. Herausgegeben von Jürgen Grölle, mit zahlreichen Abbildungen, Juli 2025, 23 x 27,5 cm, 272 Seiten Hardcover, ISBN 978-3-7356-0977-9, 45,- €).
Nach dem Besuch der anregenden Ausstellung fällt der überraschte Blick im Treppenhaus auf das große Tryptichon von Hann Trier (1915-1999): „Archimedes stört eine Kreise selbst“, welches seit kurzem wieder zu sehen ist. Das wichtige Bild entstand anläßlich einer Retrospektive zu seinem 75. Geburtstag 1990 im Von der Heydt- Museum. Das Museum lebt.
Johannes Vesper
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