Maurice Duruflé: Requiem

Der Maulbronner Kammerchor in der Klosterkirche Beyenburg

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

Maurice Duruflé: Requiem
 
Der Maulbronner Kammerchor in der Klosterkirche Beyenburg
 
Bei strömendem Starkregen wollten alle in die Klosterkirche, wo es wenigsten trocken, wenn auch keineswegs warm war. Aber wenn der international bekannte Kammerchor aus Maulbronn, dem kleinen keltischen Dorf im Kraichgau bzw. dem bedeutendsten Kloster nördlich der Alpen, nach Beyenburg kommt, ist das Interesse groß. Zu diesem bemerkenswerten Konzert hatten die Wuppertaler Orgeltage als Abschluß des 52. WOT-Jahres eingeladen und Wolfgang Kläsener wies bei der Begrüßung daraufhin, daß am Ende gespendet werde solle - nicht für den Chor, sondern für Renovierung und Erhalt der Beyenburger Klosterkirche.
 
Zur Eröffnung erklang, trotzend aller aktuellen Unbill in der Welt „Der Mensch lebt und bestehet nur eine kleine Zeit“ Max Regers (1873-1916) Vertonung der Strophe von Matthias Claudius (1740-1815). Sogleich zog der Chor mit bestechendem, reichen Klang, herrlichem Crescendo, sauber und strahlendem Sopran das Publikum in seinen Bann. Die ersten vier a-cappella Stücke sang der Chor unten, vor dem Altar stehend. Nach kräftigem Applaus gab es von Charles H. Parry (1848-1918) „There is an old belief“ (aus Songs of farewell Nr 4). Der in England sehr geschätzte Chorkomponist, hatte zeitweise als Versicherungsmakler sein Geld verdient, bevor er Professor am Royal College of Music in London und geadelt wurde. Er war Kompositionslehrer von u.a. Ralph Vaughan Williams und Frank Bridge. Zunächst fast choralartig, eher konventionell harmonisch, wird musikalisch der alte Glauben auf ein ewiges Leben beschworen „in unvergänglicher Vollkommenheit von Körper und Seele“. Wunderbar erhebt sich der Tenor dazu aus den Mittelstimmen heraus. Am Ende aber -angesichts ewigen Schlafes „wenn in nicht daraus erwache“ - bleibt nur tröstende Hoffnung im pianissimo und einem letzten Dur.
 
„Ich hebe meine Augen auf“ von Albert Becker (1834-1899) nach Psalm 121, 1-3 erinnert in der musikalischen Sprache an Felix Mendelssohn Bartholdy. Albert Becker, Brahmszeitgenosse aus Quedlinburg, als Komponist von Kaiser Wilhelm geschätzt, unterrichtete Komposition in Berlin. Sein berühmtester Schüler war Jean Sibelius. Der Chor sang unter der Leitung von Benjamin Hartmann beseelt, gestaltete jede , auch noch die kleinste Phrase und vor allem noch den letzten Akkord feinfühlig und kultiviert - beeindruckend!
 
Auch bei Francis Poulencs (1899-1963) “Timor et tremor“ („Furcht und Zittern kamen über mich…“ nach den Psalmen 55,6; 57,2; 61,2; 70,3.7; 31,18)) zeigte sich der Chor trotz harmonisch und rhythmisch komplexerer Struktur der Musik souverän und gestaltungsstark - eine kleine Intonationsunsicherheit ging schell vorüber.
 

Mona Hartmann - Foto © Johannes Vesper

Ernst Pepping (1901-1981) war wohl der bedeutendste protestantische Kirchenmusiker des 20. Jahrhunderts. Vor allem seine geistlichen Chorwerke wurden auch nach dem Krieg von vielen Chören immer wieder aufgeführt. Gebrauchsmusik für den Nationalsozialismus hat er nicht komponiert, erschien aber auf der Gottbegnadetenliste Hitlers. Seine Toccata „Mitten wir im Leben sind“(1941) startete Mona Hartmann mit vollem Werk. Über stampfendem Pedal entwickelte sich ein Choralthema, welches später unruhig in die Mitte wanderte. Reich registriert, spiegelten unruhige Einwürfe hoher Register Unruhe und Seelenangst, bis zuletzt des Glaubens Gewissheit in strahlendem Dur ins Kirchenschiff schallte. Technisch souverän, gestalterisch stark beeindruckte Mona Hartmann (geb. Rozdestvenskyte) mit diesem Werk. Geboren 1994 in Moskau, studierte sie Orgel in Detmold und Leipzig, gewann zahlreiche internationale Orgelwettbewerbe (darunter u.a. St Albans Organ Competition (UK), Boston Nach Competition Boston (USA), Internationaler Orgelwettbewerbe Wuppertal) und konzertiert in vielen europäischen Ländern. Seit 2022 unterrichtet sie Orgelliteraturspiel an der Hochschule für Kirchenmusik Herford.
 
Hauptwerk dieses exquisiten Chorkonzertes war das Requiem (op.9) von Maurice Duruflé (1902-1986) aus dem Jahre 1947, in welchem sich alte Gregorianik mit Spätromantik und Impressionismus mischt. Mit moderner Musik im Sinne von Zwölfton- oder serieller Musik hat dieses Werk nichts zu tun. An sich für großes Orchester komponiert, wurde diesmal die Version mit Orgel aufgeführt. Die Qualität der Chorsolistinnen und Solisten beeindruckte auch hier und der Chor entfaltete unter dem eher sparsamen, aber souveränen Dirigat von Benjamin Hartmann - ausgebildet an den Musikhochschulen von Leipzig, Stockholm, Yale und Cambidge - alle Qualitäten konzertanten Chorgesangs. Resignation und fester Glauben ohne ein opernhaftes Dies irae-Theater wie bei Verdi charakterisieren dieses Werk. Ein Höhepunkt war das Alt-Solo im „Pie Jesu“ mit einem tröstlichen, leibhaftigen Violoncello (der Cellist aus dem Chor), quasi als fremdes Register vor der Orgel. Dynamische Tiefe und chorische Intensität mit Dissonanzen in höchster Höhe retteten die Seelen der Gläubigen vor Höllenstrafen bzw. aus dem Rachen des Löwen. Bei klarem Sopran zeigte sich das Panier des Heiligen Michael. Auch in der immer wieder ausdrucksvollen Einstimmigkeit und den Hosiannarufen zeigte der Chor alle seine Qualitäten. Erstaunlich geschwind, also mit vielen schnellen Noten, waren Himmel und Erde im Sanctus von der Herrlichkeit des Herrn gefüllt, ebenso erstaunte zuletzt der im Paradies bei den Engeln dissonant aufsteigende Akkord der Orgel. Für den starken Applaus bedankte sich der Chor am Ende mit dem Nachtlied op. 138,3 von Max Reger. Was für ein eindrucksvolles Konzert, zu dem der Chor mit zwei großen Bussen angereist war.
 

Foto © Johannes Vesper

Chorkonzerte in der Klosterkirche Beyenburg. Samstag, den 1. November 2025, 15:00 Uhr: Maurice Duruflé: Requiem, Maulbronner Kammerchor, Mona Hartmann Orgel, Benjamin Hartmann, Leitung. Mit Unterstützung des Freundeskreises Wuppertaler Orgeltage e.V.