Clavichord im Parforceritt

Gerald Hambitzer im Pianomuseum Haus Eller

von Johannes Vesper

Gerald Hambitzer am Clavichord - Foto © Johannes Vesper

Clavichord im Parforceritt
 
Gerald Hambitzer im Pianomuseum Haus Eller
 
Das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen Haus Eller – ein Dreiseithof in Ahe – wurde im 18. Jahrhundert errichtet(Hoftorbeschlag von 1778). Im Inneren sind historische Kanonenöfen, sogenannte Kölner Decken (mit Lehmputz überformte Balkendecken) teilweise auch Stuckdecken zu sehen, vor allem aber die Sammlung Dohr. Seit 2005 dient das Gebäudeensemble dem Musikverleger Christoph Dohr als Museum für seine umfangreiche und wachsende Sammlung historischer Tasteninstrumente: Clavichorde aus dem 18., überwiegend aus dem 20. und 21. Jahrhundert, Kielinstrumente (Cembali und Spinette) des 20. Jahrhunderts, Klaviere und Flügel der berühmtesten Klavierbaufirmen (z.B. William Stodart, London 1820, Erdmann Rancke, Riga 1825) oder auch Tafelklaviere aus der Zeit von 1770 bis 1880, darunter von Sébastien Érard, Broadwood (1817) u.a. Der älteste Hammerflügel im Museum stammt als Nachbau von 1796. Im Museum werden seit 2005 regelmäßige Konzerte veranstaltet und auf CD dokumentiert.
       Vom 7. bis 9. November fanden dort (als 411. bis 415. Veranstaltung!) fünf Konzerte im Rahmen der „Zweiten Clavichord-Tage Haus Eller“ statt, von denen das zweite (am 8. November, 15:00 Uhr) hier besprochen wird. Gerald Hambitzer aus Bonn spielte zwei Clavichorde, von welchen eines Matthias Griewisch (Bammental) 2014 einem Instrument von 1775 von Johann Heinrich Silbermann nachgebaut hatte, und das andere ein Nachbau von Andreas Hermert (Berlin 1998) nach Israel Gellinger (Frankfurt am Main 1670) ist. Zwischen den Instrumenten lagen bezüglich Bauart und Entwicklung also rund 100 Jahre, was sich in Größe und Klang sehr bemerkbar machte. Gerald Hambitzer, ehem. Professor für Alte Musik an der HfMT Köln, erwies sich an diesem Nachmittag vor höchst interessiertem Publikum als Liebhaber des Clavichords, erläuterte sachkundig, lebhaft – sozusagen im Parforceritt – die faszinierende Geschichte dieses über Jahrhunderte beliebten und gespielten Instruments, erklärte die Mechanik von Saite, Tastenhebel und Messingtangente, die Besonderheiten der Notenschrift und die in alten Zeiten verkürzte Bass-Oktave. Er spielte technisch brillant und intensiv zunächst auf dem kleineren Instrument von 1670 eine Fantasie von Thomas Morley (1557–1603) und eine Toccata von Girolamo Frescobaldi (1583–1643).
       Das Instrument erklang leise, delikat, dynamisch sparsam moduliert, vielleicht am ehesten vergleichbar einem in der Ferne erklingenden Cembalo – an das Fernwerk einer Orgel erinnernd. Bei, wenn man so will, vertikalem Vibrato des Fingers auf der Taste (Bebung) werden die Töne auch belebt, was das Instrument vom Cembalo unterscheidet, bei dem nach gezupftem Ton der Klang nicht mehr beeinflußt werden kann.
Das Publikum zeigte sich bewegt, wie mit leisen, stillen, verletzlichen Tönen der intime Raum doch gefüllt wurde, Kammermusik im wahrsten Sinne des Wortes. Für einen großen Konzertsaal war das Instrument nicht gebaut. In seiner Sensibilität erfüllt es aber alle Ansprüche häuslichen, persönlichen Musizierens. Hambitzer bekannte sich als Fan von Johann Caspar Ferdinand Fischer (1656–1746), dessen Werk er bereits vor knapp 30 Jahren auf CD eingespielt hat. Während die Musik von Morley und Frescobaldi oft als Reihung von Verzierungen erscheint, werden bei Fischer Themen und Melodien, unterbrochen von Akkordkaskaden, be- und verarbeitet. Wir erfuhren, daß das Silbermann-Instrument bedeutend tiefer gestimmt wurde als die Vorgänger und daß Johann Sebastian Bach Fischer außerordentlich geschätzt und vor allem auch zu Studienzwecken oft gespielt habe. Die Suite d-Moll “Uranie“ aus Fischers „Musikalischem Parnassus“ von 1738 erwies sich als prachtvolles Konzertstück, welches auf Flügel oder Klaviergespielt, seinen Charakter sicher substantiell verändern würde.
       Zuletzt gab es noch von Johann Sebastian Bach (1685–1750, Suite pour le Clavessin h-Moll, BWV 814), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788, Fantasia F-Dur Wq 59/2) und Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791, Sonate Es-Dur KV 282): Stücke, die zeigten, daß bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts das Clavichord als Soloinstrument sehr bedeutsam war. So liebte Mozart sein kleines Reiseclavichord über alles und hatte zu Hause noch ein größeres Instrument. Für den großen Applaus des enthusiasmierten Publikums bedankte sich Gerald Hambitzer mit einem Stück von Georg Friedrich Händel. Zuletzt noch der Hinweis: Wenn man da jetzt hin will: Ahe gehört zu Bergheim an der Erft – vor den Toren Kölns. Der Besuch lohnt.