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Die Müde
Dies Müde, Flügellose ruht auf mir
So wie ein großes, sanftes, goldnes Tier.
Uns trägt, was schwillt: ein Trank, der überlief.
Es blickt mich an. Sein Blick ist gut und tief.
Es lastet schwerer und mein Atem hebt
Es nicht mehr auf. Sein Drachenmantel webt
Ins Düster sich. Ein Zackenkrallen spinnt,
Drum schale Milch aus einem Mohnkopf rinnt.
Nun darf ich nur noch eigne Lider sehn,
Die blau und grüne Pfauenräder drehn.
Ich habe kein Gesicht mehr. Hauch wird Stein.
Bedächtig kehrt mein Schauen in mich ein.
Es steigt hinab, hinab, es fällt, wird dicht.
Der Schwarzschlund sackt es ein: es wehrt sich nicht.
Es sinkt geballt in tauben Mauernkern.
Es ist in sich. Nur seltsam klar und fern
Scheint auch dies Müde, Flügellose hier,
So wie ein kleines, silbern sanftes Tier.
Gertrud Kolmar
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