Restitution und Rückkauf nach 88 Jahren

Das Gemälde Zwei Frauen von Karl Schmidt-Rottluff verbleibt im Von der Heydt-Museum

von Johannes Vesper

v.l.: Chiruzu Kahl, Dr. Josephine Karg, RA Julius Kaspar Niesert, Matthias Nocke, Dr. Roland Mönig- Foto © Johannes Vesper

Restitution und Rückkauf nach 88 Jahren
 
Das Gemälde Zwei Frauen von Karl Schmidt-Rottluff verbleibt im Von der Heydt-Museum
 
Am 1. Dezember 2025 haben die 36 Schiedsrichterinnen und -Richter des neuen Schiedsgerichts zu NS-Raubgut ihre Arbeit aufgenommen. Die bisher tätige Beratende Kommission, gegründet 2003, (Limbach Kommission) wurde gleichzeitig aufgelöst (letzter Vorsitzender Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier). Sie gab Empfehlungen ab und hat insgesamt nur 23 Fälle bearbeitet, weil sich die Museen schlicht geweigert haben, einem Verfahren vor dem Gremium zuzustimmen - ein eher übles Kapitel beim Umgang mit NS-Raubkunst.
 
Daß Restitution glücklich und erfolgreich auch ohne Staat und Kommissionen laufen kann, wurde jetzt deutlich bei der Rückgabe und dem Rückkauf des Gemäldes Zwei Frauen (1914) von Karl Schmidt- Rottluff. Die Bemühungen begannen schon 2004. Mit der Übergabe des Bildes am 1. Dezember 2025, pünktlich zum Geburtstag von Karl Schmidt- Rottluff (1. Dezember 1884 - 10. August 1976) kann das Gemälde von 1914, eines der bedeutendsten Werke der klassischen Moderne und Hauptwerk des deutschen Expressionismus, nun endgültig im Von der Heydt-Museum zu Wuppertal verbleiben. Das war nur möglich mit Hilfe und finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens-Kulturstiftung, des Landes NRW und der Freiherr von der Heydt- Stiftung. Der Umgang mit NS-Raubgut scheint in Wuppertal vorbildlich. 2023 wurde Max Liebermanns Bildnis Felix Benjamin restituiert und wieder angekauft, 2003 wurden Gemälde von Otto Scholderer, Hans von Marées und eine Papierarbeit von Adolf Menzel zurückgegeben. Die Stadt bekannte sich schon damals zur Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1999, in der die moralisch und ethisch (nicht juristisch) bindenden internationalen Richtlinien in Bezug auf Kunstwerke , die von den Nazis beschlagnahmt , wurden, festgelegt worden sind. Zusätzlich erfolgte 2020 die Einrichtung einer Vollzeitstelle zu systematischer Provenienzforschung in der Wuppertaler Sammlung. Museumsdirektor Dr. Mönig und Kulturdezernent Nocke wiesen daraufhin, daß das Wuppertaler Museum nur Kunst zeigen will, die dem Museum gehört. Anna Baumberger kümmert sich seit 2020 um jedes Stück der Sammlung und prüft, forscht, ermittelt Herkunft, vorangegangene Besitzverhältnisse in Vollzeit. Das ist für ein Museum nicht selbstverständlich, paßt aber zu seiner „internationalen Strahlkraft“, worauf Dr. Josephine Karg von der Kultururstiftung der Länder hinwies. Chizuru Kahl von der Siemens- Kulturstiftung war stolz darauf, daß die Stiftung Teil der Restitutionsgeschichte ist, die über 21 Jahre fair und gerecht, in tiefer Transparenz und in offenem Austausch unter Vermittlung der Rechtsanwälte zwischen Museum und Erben stattgefunden hat. Die Erben haben das Bild einerseits gerne im Von der Heydt-Museum gesehen, aber doch Wert auf vorherige Restitution gelegt, berichtet der Rechtsanwalt (Julius Kaspar Niesert, S+N Rechtsanwälte Berlin).
 
Die Geschichte des Gemäldes ist spannend und muß natürlich erzählt werden. Spätestens 1924 gehörte es zu Sammlung des Erfurter Schuhfabrikanten und Mäzens Alfred Hess (1879-1931), dessen Privatsammlung damals rund 4000 Kunstwerke umfaßte. Ein Großteil seiner Sammlung wurde 1933 von den Erben in die Schweiz gebracht. Nach einem Besuch und Verhör durch den Erfurter Zoll 1936 zu ihrem Vermögen im Ausland wurde die Witwe des Sammlers gezwungen, 1937 einige Gemälde nach Köln zu bringen und im Keller des dortigen Kunstvereins zu lagern, darunter auch das Gemälde Zwei Frauen (Frauen im Grünen). Für die Zeit von 1937-1947 gibt es eine Erinnerungslücke. Das Gemälde wurde im April 1947 (10. Mai bis 8. Juni) bereits in der Ausstellung expressionistischer Malerei im Von der Heydt-Museum gezeigt. Das Museum hatte es im April 1947 vom Kölner Kunsthändler Aloys Faust gekauft. Womit und wie in Zeiten ohne gültiges Geld vor der Währungsreform 1948, in der die Bevölkerung durch Tauschhandel bzw. Kungeln überlebt hatte, gezahlt worden ist, ist leider nicht bekannt. Erst 1950 tauchten weitere, ursprünglich als zerstört angegebene Gemälde der Sammlung Hess im Rahmen eines Strafprozesses auf. Offensichtlich waren Teile der Sammlung Hess im Kriege trotz Bombardement der Stadt, nicht wie andere Kulturgüter ausgelagert und gesichert worden. Es hieß infolge mangelnder Transportkapazität sei die Kiste mit den Bildern der Sammlung Hess im Keller des Kunstvereins verblieben, später entwendet und verkauft worden. Das dunkle Kapitel zwischen NS-Raub und gewöhnlicher Kriminalität wurde jetzt fair und gerecht beendet, das Bild den Erben restituiert und für die Sammlung zurückgekauft. Mit einer grünen Ampel unter dem Gemälde, wird daraufhin gewiesen, daß die Provenienz des Bildes unbelastet ist. Es krönt die Wuppertaler Sammlung bezüglich der Künstlergruppe Brücke, wurde seit 1920 in vielen wichtigen Monografien und Ausstellungen weltweit gezeigt und hat das Erscheinungsbild des deutschen Expressionismus wesentlich beeinflußt. Der 1. Dezember erwies sich als Glückstag für Wuppertal. Das Provenienzproblem anderer Gemälde der berühmten Sammlung ist damit nicht gelöst. In der Nachbarschaft der Zwei Frauen hängt das Gemälde der Marktkirche zu Halle von Lyonel Feininger noch mit einer roten Ampel. Für die Provenienzforscherin bleibt noch genug zu tun.
 
Eine endgültige Lösung könnte nur mit einem Restitutionsgesetz erreicht werden (Josef Schuster), nur damit könnte das bisher völlig ungelöste Restitutions-Problem aus Privatbesitz gelöst werden.