Henry van de Velde - Buchkunst

Das Berliner Bröhan Museum zeigt Buchschmuck vom Jugendstil zum Bauhaus

von Frank Becker
Vom Jugendstil zum Bauhaus


Das Bröhan Museum in Berlin zeigt bis zum 20. September Buchschmuck des "Alleskünstlers" Henry van de Velde


Vor rund 100 Jahren erlebte die Buchkunst eine ganz besonders hohe Kultur - es wurde nicht nur dem literarischen Inhalt, sondern auch der Schrift und ihrer Gestaltung, der zu dieser Zeit noch populären (und gewünschten) Illustration, dem Entwurf von Vorsatzpapieren und ganz besonders der Einbandgestaltung viel Aufmerksamkeit und Mühe gewidmet. Große Künstler ihrer Zeit wurden von Verlagen engagiert, um dem neuen Buch, das nicht Massenware wie heute war, ein würdiges Äußeres und Inneres zu geben. Einer der noch heute bekanntesten darunter war der 1863 in Antwerpen geborene Belgier Henry van de Velde. Vom Impressionismus in der Malerei, insbesondere dem Pointilismus Seurats beeinflußt, wurde van de Velde im steten Austausch mit anderen Künstlern und Dichtern zum Vorreiter des
 
Vorsatzpapier zu Nietzsches "Ecce Homo" - 1908 Insel Verlag
graphischen Jugendstils/Art Nouveau, als dessen prominenter Vertreter er bis heute gilt. Das Spektrum des stets auf das Neue bedachten Künstlers und auch als Architekt und Designer erfolgreichen Stilisten zeigt die Entwicklung seiner graphischen Formen über die Jahrzehnte, spannt den Bogen bis hin zum Bauhaus.

Noch bis zum 20. September präsentiert das Bröhan Museum in Berlin eine Ausstellung von ca. 100 Büchern, deren Einbände Henry van de Velde zwischen 1893 und 1933 gestaltet hat, Exponate aus der Privatsammlung Ariane und John Dieter Brinks, ergänzt durch Objekte aus anderen Sammlungen. Begleitend zur Ausstellung ist ein broschierter Katalog erschienen, der eine Auswahl der gezeigten Objekte in farbigen Darstellungen enthält. Einbandgestaltung und üppiger Buchschmuck diverser Nietzsche-Ausgaben, die optische Veredlung eigener Werke van de Veldes wie z.B. seiner Essays und seiner Abhandlungen zum Stil, Rudolf Euckens Philosophie, Emile Verhaerens und R.M. Rilkes Lyrik sind prächtige Beispiele der Buchkunst um 1910. Der Insel Verlag ist  van de Veldes wichtigster deutscher Partner, zugleich Spiegel seiner Ideen. Seine Brüsseler Typographien der 20er Jahre  sind wegweisend für die Zeit des
Bauhaus.

 
Henry van de Velde - "Vom neuen Stil"
1907
Insel Verlag
Henry van de Veldes Neigung zu Deutschland, die ihm von der belgischen Kritik vorgeworfene "Germanophilie" zwingt ihn sowohl nach dem 1. wie dem 2. Weltkrieg, seine Heimat zu verlassen. Zu tief hat er sich mit den zweimaligen Besetzern Belgiens auch in der Verwaltung des Landes eingelassen, als daß ihm die kleine Nation es verzeihen konnte. Er starb 94-jährig im Zürcher Exil. Seine Asche wurde im belgischen Tervuren beigesetzt, eine posthume Geste der Versöhnung.


Katalog: 64 Seiten, Broschur, farbig illustriert, mit einem Essay von John Dieter Brinks und einem chronologischen Lebensabriß

Informationen zu der Berliner Ausstellung unter:
www.broehan-museum.de