En passant: Auf der Suche nach dem Verlorenen Raum

Figur und Raum in der Malerei von Ruth Bussmann und Jan de Vliegher

von Susanne Buckesfeld und Bernhard Stegt

Jan de Vliegher - Nacht

En passant: Auf der Suche nach dem verlorenen Raum

Figur und Raum in der Malerei von Ruth Bussmann und Jan de Vliegher

Es ist das Verhältnis zwischen Figur und Raum, unter dessen Blickwinkel sich die recht unterschiedliche Malerei von Ruth Bussmann und Jan de Vliegher miteinander vergleichen lässt. In den Gemälden von Bussmann wie auch in einem Großteil der Arbeiten von de Vliegher stehen menschliche Figuren im Mittelpunkt, die sich offenbar in einem urbanen Raum bewegen, auch wenn dieser bei Bussmann nicht eindeutig als solcher bezeichnet wird. Dennoch schließen wir aus den Figuren, die Bussmann uns zeigt, aus der Art und Weise, wie sie sich bewegen, aus ihrer Kleidung


Ruth Bussmann
und ihrem Habitus, dass es sich bei diesen Zeitgenossen um Städter handeln muss – zumindest aber um Menschen, die sich einen urbanen Lebensstil angeeignet haben. Der städtische Raum dagegen bleibt vollkommen unbestimmt; in der Malerei von Ruth Bussmann durchschreiten die Menschen einen abstrakten Farbraum, der allenfalls durch die angedeutete Linie eines Horizonts oder den Schattenwurf erkennbar wird. Darüber hinaus erwächst das Potential des räumlichen Umfelds allein aus der Aktivität der Figuren, ihrer im Bild gebannten Bewegung, die sie in einer ständigen Schwellensituation verharren lässt. In der Uferlosigkeit der Farbe gerät der Raum tatsächlich zu einer fragwürdigen Kategorie, in der sich einige der gezeigten Protagonisten zu verlieren drohen. Es stellt sich die uralte Frage nach dem Woher und Wohin des Menschen, das – folgt man den Rückenfiguren Bussmanns – nur in einem unentwegten Vorwärtsschreiten bestehen kann. So entsteht der Bildraum in den Gemälden von Ruth Bussmann im funktionalen Wechselspiel von Figur, Farbe und Betrachter, dem letztlich die Deutung der Leerstelle zwischen Figur und Raum obliegt.

Während in den Gemälden von Ruth Bussmann Figur und Raum klar voneinander getrennte Größen

Jan de Vliegher
sind, werden bei Jan de Vliegher dagegen beide zu einer untrennbaren chromatischen Einheit miteinander verwebt. Eingebettet in den Raum agieren die Figuren, wobei der pastose Duktus de Vlieghers von einer flüchtigen Dynamik sowohl des Raumes als auch der Menschen, die sich in ihm bewegen, erzählt. Gleichsam en passant scheinen wir einen Blick auf Szenen städtischen Lebens zu erhaschen – sei es im Theater, auf dem Markt, in einem Straßencafé. Anders als bei Bussmann wird der Raum alsbald eindeutig erkennbar: wir befinden uns in Venedig; wie auf eher beiläufigen Aufnahmen ist das Schlendern der Touristen, das Treiben der Marktleute zu beobachten. Leuchtende Farben und die gelöste Haltung der Menschen verweisen außerdem auf das italienische Flair. Geradezu altmeisterlich behandelt de Vliegher dabei die Lichtregie, wie auch auf seinen Stilleben zu sehen ist, wo weiß gehöht das Spiel der Reflexe auf den glänzenden Oberflächen von Gläsern und Gefäßen erscheint. Der Raum ist zwar auch bei de Vliegher nicht losgelöst vom

Ruth Bussmann - Stadt IV
Handeln der gezeigten Menschen zu betrachten, doch wird ihr Tun von der Struktur des Raumes bestimmt: Während Bussmanns Figuren fast überall beobachtet werden könnten, ist das Verhalten der Menschen bei de Vliegher durch die Spezifik des Ortes begründet. Die Stadt Venedig dient ihm dabei keineswegs als Hintergrund oder Bühne; im schillernden Farbenspiel bedingen Figur und Raum vielmehr einander: Menschen existieren nicht nur im Raum, wie bei Bussmann, sondern allein durch ihn. Und dennoch – in den Gemälden von Jan de Vliegher erscheinen Raum und Figur so wenig greifbar wie ein längst vergangener Tag im sonnigen Süden.

En passant


Jan de Vliegher - Silver

Figur und Raum in der Malerei von
Ruth Bussmann und Jan de Vliegher
25. Mai bis  26. Juni 2007

Eröffnung:

am Freitag, dem 25. Mai 2007
19.30 - 21.30 Uhr

Es spricht: Susanne Buckesfeld M. A.

Galerie Epikur
Friedrich-Engels-Allee 122
42285 Wuppertal

Weitere Informationen unter: www.galerie-epikur.de

Redaktion: Frank Becker