Beziehungen

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek / Archiv Musenblätter
Beziehungen

Neulich hab ich wieder mal erlebt, fast am eigenen Leibe, wie schwierig doch manchmal Beziehungen sind, oder wie schwierig sie auseinanderzuklamüsern sind. Ich meine jetzt nicht Beziehungen, also Vitamin B, Filz- und Vetternwirtschaft, also Klüngel. Klüngel heißt ja frei nach Konrad Adenauer: »Man kennt sich, man hilft sich«, nee, dat mein ich jetzt nicht, sondern mehr so Verhältnisse, wo man sagt: „Die Silvia ist jetzt mit einem Musiker zusammen, oder sogar verheira­tet.“ „Ach“ sagt man dann, „das ist aber nicht der Mu­siker, der vor mir war.“ „Nee, nee, der war auch Musi­ker, richtig Flötist. Nee, das ist schon lang vorbei. Nein, nein, der war doch lange vor dir. Da war noch ein Schauspieler dazwischen.“ „Ach ja richtig, und dann kam ich.“ „Richtig! Und dann kam nach dir wieder ein Musiker.“ „Nach mir? Ja, aber das ist doch schon lange aus mit dem Musiker nach mir.“ „Ja klar.“ „Das war aber nicht der Musiker, der vor mir war. Und der Schau­spieler.“ „Nein, der erste Musiker war doch Flötist, festangestellt im Orchester. Ist jetzt auch schon lange verheiratet. Mit einer Flötistin aus dem Orchester, auch festangestellt. Beide exzellente Musiker, beide. Und danach kam dann doch der junge Schauspieler, so ein blonder, netter Kerl. Hab ich mal mitten in Wien getroffen. War bei Peymann noch in Bochum. Weiß gar nicht, wo der jetzt steckt. Der kam vor dir einwandfrei. Dann kamst du. Richtig. Und dann kam nach dir wie­der ein Musiker. Flötist?“ „Eben nicht. So ein freischaf­fender Experimenteller. Heinz hieß er, glaube ich. Ein Minimal-Freak wie du.“ „Wie ich? Ich bin doch kein Musiker.“ „Ja, aber du warst davor. Aber das ist auch schon lang kaputt, und jetzt, ich weiß nicht, was da­zwischen war, wieder ein Musiker? Flötist?“ „Nein, kein Flötist. Das war doch der, der vor dir war. Vor dir und dem Schauspieler.(o)Ach ja, richtig. Und jetzt, der ist wohl mehr Komponist oder Dirigent.“ „Du, wir waren immerhin sechs Jahre zusammen ohne Musik. Die war ja vor mir.“ „Und der nach mir. Ich weiß gar nicht, was aus dem geworden ist. Der hat nur im Win­ter musiziert und im Sommer gelebt. Typischer Schweizer. Ein halbes Jahr arbeiten und ein halbes Jahr leben, hat er immer gesagt. Und dann kam noch ein Fernsehregisseur oder so ein Aufnahmeleiter. Da wurde nur noch gearbeitet. Und jetzt wieder ein Musi­ker. Und beide leben auf dem Land.“ „Tatsächlich?“ „Wenn ich dir's sage.“ „Da habe ich ja noch Glück ge­habt.“ Aber so ist das Leben. Manche brauchen nur einen oder eine. Und einige brauchen ganz viele. Wenn's geht: Musiker. Davor und danach.
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung