Warum Konrad doch noch an die Fügungen Gottes glaubt

Eine kleine erotische Erzählung

von Hermann Schulz
Warum Konrad doch noch
an die Fügungen Gottes glaubt
 

Konrad, ein Junge von sechzehn Jahren, nahm eine besorgniserregende Entwicklung. Die verantwortlichen Lehrer des Gymnasiums der Kleinstadt ließen schließlich die Eltern zu einem Gespräch in die Schule kommen. Es ging nicht nur um die tatsächlich schwachen Leistungen, sondern um Konrads Verhalten an sich. Die Klassenlehrerin mit geröteten Wangen ließ den besorgten Vater wissen, sein Sohn steige in auffälliger und empörender Weise den Mädchen nach und treibe sich ausgerechnet mit jenen Jungen und Mädchen herum, von denen er nun wahrhaftig nichts Gutes lernen könne. Es sei an der Zeit, daß Eltern und Lehrer geeignete Maßnahmen ergriffen.

Der beunruhigte Vater beriet sich mit der Mutter. Sie beschlossen, ihre Sorgen mit dem Gemeindepfarrer zu bereden, denn sie selbst fühlten sich seit langem nicht mehr in der Lage, dem Jungen gegenüber ihre Autorität geltend zu machen.

Der Pfarrer schlug vor, der Junge solle an einem Ausflug des Kirchenchores zu Pfingsten teilnehmen. Da würde er mit sehr lieben Menschen zusammen sein und auf andere Gedanken kommen. Der Auflug würde in seine frühere Gemeinde nach Bebra gehen, alles sei schon vorbereitet und er wolle persönlich dafür sorgen, daß Konrad in einer besonders guten Familie, die er kenne und schätze, untergebracht würde.

Konrad mußte sich fügen und bestieg an einem sonnigen Morgen gemeinsam mit anderen, ihm nur teilweise bekannten Jugendlichen und Älteren, den Reisebus. Dem Absingen von Volksliedern und geistlichen Chorälen folgte eine Andacht während der Fahrt; es gab auch Scherze des Pfarrers, die ihn allerdings, wie alles andere auch, nicht zu begeistern vermochten.

In Bebra vor dem Pfarrhaus waren bereits die Gemeindemitglieder versammelt, um ihre Gäste abzuholen. Der Pfarrer führte Konrad zu einem älteren Herrn, der ihn steif in Empfang nahm und mit ihm eine ansteigende Straße hinaufging, die in ein Neubauviertel führte. Seine Frau öffnete, begrüßte den Gast und rief nach der Tochter Adelheid, die denn auch sogleich erschien. Sie trug ein hochgeschlossenes, langes Kleid, hatte die Haare im Nacken zu einem Knoten gebunden, auf ihrer Bluse baumelte ein silbernes Kreuz. Sie machte einen Knicks, als sie Konrad begrüßte.

Vor dem Essen sprach Adelheid das Tischgebet und erinnerte beim Nachtisch daran, daß um 14 Uhr das erste Jugend-Gemeinschaftssingen in der Kirche stattfinde, man müsse sich ein wenig sputen.
Konrad ließ all dies über sich ergehen wie eine biblische Plage. Auch die unerträglichsten  Stunden mußten einmal ein Ende haben.

Adelheid und er verließen das Haus. Sie schlug vor, da noch Zeit sei, einen kleinen Umweg durch ein hübsches Waldstück zu machen. Er betrachtete sie uninteressiert von der Seite und stimmte zu.
Kaum waren sie aus dem Blickfeld des Hauses der Eltern, griff sich Adelheid in den Nacken, entfernte mit geübten Händen einige Nadeln und Spangen und ließ eine Woge von lockigem, braunem Haar auf ihre Schultern gleiten. Dann zog sie aus ihrer Manteltasche ein paar gewagte Ohrringe und sah Konrad an:
"Willst du wirklich in die Kirche?"
Konrad lief Gefahr zu stottern, so sehr hatte ihn die wunderbare Verwandlung überrascht. Vor ihm stand ein Mädchen wie Milch und Honig, ihm klopfte das Herz bis zum Hals vor Aufregung.
"Nein, um Gottes willen, nein, wenn es sich vermeiden läßt..."

"Das habe ich gehofft", sie nahm seinen Arm, lächelte ihn an und zog ihn weiter in den Wald hinein. "Du gefällst mir ...Ich weiß garantiert was besseres als Jugendsingen...!"




© Hermann Schulz - Erstveröffentlichung in den Musenblättern