Saitenspiel: Im Quartett (1)

Das Prisma-Quartett mit Haydn, Kurtág, Brahms und Mendelssohn

von Johannes Vesper

Saitenspiel: Im Quartett (1)
Das Prisma-Quartett am Sonntag
in der Historischen Stadthalle Wuppertal
 
 
Das Prisma-Quartett ist in Wuppertal in bester Erinnerung, war es doch bereits in der letzten Spielzeit am gleichem Ort zu hören, damals mit selten aufgeführten Werken wie Otmar Schoecks „Notturno“ für Solo-Bariton und Streichquartett oder John Cages „String Quartet in Four parts“. Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik ist dem lebendigen Quartett wichtig. In den letzten zwei Jahren wechselte die Besetzung der beiden Geigen zweimal. Nun spielen also Benjamin Spiller, Kathrin Brosi, Annette Hartmann und Pirkko Langer zusammen. Der aktuelle, junge Primarius ist Konzertmeister der Heidelberger Symphoniker und Schüler von Ulf Hoelscher. Kathrin Brosi stammt aus dem Württemberger Kammerorchester und scheint sich schon immer vor allem für Kammermusik interessiert zu haben.
 
An diesem herrlichen, sonnigen Herbsttag wird das Kammerkonzert am Nachmittag eröffnet mit Joseph Haydns Quintenquartett (Op. 76.Nr. 2), so benannt nach den fallenden Quinten, mit denen das Quartett beginnt. In der offenen, luziden Akustik des Mendelssohn-Saales wird jede Nuance hörbar, jede Nähe des Bogens zum Steg und jede forcierte Berührung mit der Saite. Die 1. Violine ist bei Haydn immer enorm gefordert, virtuos in den Ecksätzen und im Variationssatz. Der warme Ton des Violoncellos hält dagegen. Im Menuett die Oktavkopplung der Violinen gegen Bratsche und Cello in der Art eines zweistimmigen Kanons gibt es schon in den ganz frühen Streichquartetten Haydns, des Erfinders dieser Gattung. Aber welche musikalische Entwicklung der Persönlichkeit bzw. ihres musikalischen Ausdrucks findet sich zwischen Op. 1.1 von 1756 und dem Op. 76,2 von 1799. Die Vitalität und der Einfallsreichtum sind beim 67 jährigen Haydn ungebrochen, und wir konnten das heute erleben.
 
Der 1926 in Rumänien geborene György Kurtág gilt neben Ligeti als der wichtigste Komponist Ungarns. 1993 war er als „Composer in Residence“ Gast der Berliner Philharmoniker. Heute nun 12 kurze Stücke („Mikroludien“ Op. 13) von 1977/78. Schwebende Disharmonien, schluchzende Glissandi, kräftige Pizzicati, rhythmische vertrackte Klänge. Leises Flageolett mit Dämpfer oder auch ohne erinnert an Töne, die man von Panflöten her kennt. Kräftige Motive von Bratsche und Cello im Klangteppich der beiden Geigen. Große dynamische Gegensätze im Tremolo mit und ohne Vibrato. Der Zuhörer ist ob der Ausdrucksfülle und der Leichtigkeit des Vortrags fasziniert.
 
Nach der Pause dann das Streichquartett a-moll (Op. 51, Nr. 2) von Johannes Brahms. Zwar kein Alterswerk wie Op. 76.2, aber immerhin war Brahms 40 Jahre alt, bevor er erstmals Streichquartette und zwar die des Op. 51 veröffentlichte. Es war also eine lange Geburt mit seinen Streichquartetten. Er hat sie seinem Freund, dem heute noch berühmten Chirurgen Theodor Billroth gewidmet. Das Werk von 1873 gibt mit singenden, nahezu wienerisch anmutenden, schwelgenden Melodien die Stimmung des Komponisten („frei- aber froh bzw. „frei, aber einsam“! Kopfmotiv: a-f-a-e) wieder. Im 3. Satz, der mit flinkem Piano Sommernachtsträume weckt, ist die Virtuosität und Sensibilität aller vier gefordert. Das ganze Quartett ist bei seiner Komplexität voll wunderbarer Musik und im letzten Satz mit einem kurzen Finale furioso synkopisch-ungarisch angehaucht. Das Quartett bedankte sich für den reichen Applaus des kleinen Publikums mit dem 2. Satz aus Mendelssohns Streichquartett Nr. 6, welches in Gänze später in der Wuppertaler Kammermusikserie des Quartetts zu hören sein wird.  
 
Im Herbst/Winter 2011 bringt das Prisma Quartett folgende Konzertprogramme zu Gehör:
J. Haydn: Streichquartett d-moll, op. 76/2
G. Kurtág:
12 Mikroludien für Streichquartett, op. 13, Hommage à Mihály András
J. Brahms: Streichquartett, a-moll, op. 51/2
D. Hahne: "Writings" für Klavierquartett, elektronische Klänge und Video (2009)
D. Hahne: "Ecoute II" für verstärktes Streichquartett und Klarinette (1997)
W. A. Mozart: Streichquartett G-Dur, KV 387
B. Bartók:
Streichquartett Nr. 3, Sz 85
F. Mendelssohn Bartholdy:
Streichquartett Nr. 6, f-moll, op. 80
F. Schubert: Quartettsatz c-moll, D 703
A. Zemlinsky:
Streichquartett Nr. 3, op. 19
L. v. Beethoven:
Streichquartett B-Dur, op. 18/6
J. Haydn: Streichquartett Es-Dur, op. 64/6
S. Prokofiev:
Streichquartett Nr. 2, F-Dur, op. 92, Sur des Thèmes Kabardines
M. Ravel:
Streichquartett F-Dur
 
Weitere Informationen: www.prisma-quartett.de