Ode an die Freude

Beethovens Neunte in Bayreuth

von Alexander Hauer

Ode an die Freude




Juanita Lascarro, Sopran

Heike Grötzinger, Alt
Daniel Kirch, Tenor
Samuel Youn, Bariton
Philharmonischer Chor Bayreuth,
Hofer Symphoniker, Dirigent Arn Goerke
 
Ludwig van Beethoven (1770-1824)/Friedrich von Schiller (1759-1805)
Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125 mit Schlußchor über Schillers Ode "An die Freude"
 
Sie wurde geliebt und mißbraucht, sie diente rühmlichen und unrühmlichen Staatssystemen, sie wurde verpopt( A song of Joy, Miguel Rios 1970, verjazzt, kopiert, parodiert und ad absurdum (John Cale, Damn Life; Music for a new society,1982) geführt. Sie diente als Soundtrack zu Gewaltfantasien (Uhrwerk Orange, Stanley Kubrick; 1970/71), war Ersatznationalhymne(Deutschland ab 1952) und ist seit 1985 offizielle Hymne der Europäischen Union. Mit leicht verändertem Text widmete sie Leonhard Bernstein als „Ode an die Freiheit“ am Weihnachtstag 1989 dem Mauerfall, am 2.Oktober 1990 untermalte sie den letzten Staatsakt der DDR. Sie hat alles überlebt und wird in ihrer Schönheit das bleiben, was sie seit ihrer Uraufführung am 7. Mai 1824 war, ein unerreichtes Meisterwerk der Symphonie.
Der Komponist trug sich fast sein ganzes künstlerisches Leben mit dem Gedanken, Schillers „Ode an die Freude“ zu vertonen, erst gegen Ende seines Lebens, und da noch voller Zweifel, ob nicht eine rein instrumentales Finale besser sei, schrieb er sie zu Ende. Gehört hat er sie nie, seine Taubheit verdammte ihn zu einem Leben vollkommener Stille.
Das viersätzige Werk stellt eine Zäsur in der Historie der Sinfonien dar, zum ersten Mal wurde in einer erfolgreichen Sinfonie Gesangssolisten und Chor eingesetzt.

Jetzt, im November 2011 feiert der Philharmonische Chor Bayreuth sein 65-jähriges Bestehen und man wünschte sich als „Geburtstagsgeschenk“ Beethovens Neunte. Ein Wunsch, dem Chef Arn Goerke und „Hausorchester“, die Hofer Symphoniker, sicher gerne nachkamen, gehört doch Beethovens Neunte zu den fünf besten Konzertwerken. Die sicherlich nicht gerade leicht zu spielende, von sanfter Süßlichkeit bis zu radikal revolutionären Klängen geprägte Partitur schien für die Hofer eine der leichtesten Übungen zu sein. Exakte Einsätze, eine in allen Instrumentengruppen herrschende Genauigkeit, ein bis zum Anschlag ausgeklügeltes Dirigat, zügig, aber nicht gehetzt, den einzelnen Orchestergruppen genügend Luft einräumend, um sich dann in Gänze einem einzigem Ziel hinzugeben: dem perfekten Klang einer romantischen Sinfonie. Kurz vor dem Einsatz der Sänger, als das bekannteste Thema der Sinfonie durch alle Orchestergruppen gewandert ist und sich in einen grandios orchestrierten Chaos zu verlieren droht, greift der Bariton mahnend ein:“ O Freunde, nicht diese Töne! Sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere“ Samuel Yuon gelingt diese Mahnung, ein Weckruf an den Geist des Humanismus, perfekt, und damit beginnt wohl die bekannteste Chorhymne der Welt. Youn dominiert die drei anderen Solisten, Juanita Lascaro mit stupend ausgelotetem Sopran, Heike Grötzingers weichem Alt und Daniel Kirchs fein gestaltetem Tenor, ohne sie zu überdecken.
 
Aber im Mittelpunkt des vierten Satzes steht der Chor. Die Musikwelt ist voll von Beweisen des Scheiterns, durchaus auch bei großen Namen. Diese scheinbar so leichte Partitur birgt Untiefen und scharfe Klippen an denen schon so manches Chorschiff strandete. So die Stelle mit dem lang gezogenem zweigestrichen A in den Sopranen am Ende des ersten Finalteiles. Ohne Schärfe im Klang, kein störendes Vibrato, ein lupenreiner Ton, mir bleibt nichts anders zu sagen als: perfekt. Genau wie die anderen Stimmgruppen, die sich mit viel Herzblut und meisterlichem Können Beethovens Werk annahmen. Die Harmonie, die zwischen Orchester und Chor herrscht, zeugt von minutiöser Einstudierung, von gegenseitigem Vertrauen und von einem Selbstvertrauen, das sich durch jahrelange Arbeit unter der Leitung eines klugen Musikpädagogen einstellt. Der Philharmonische Chor Bayreuth macht es einem schwer zu vergessen, daß es sich um einen Laienchor handelt. Trotz der Dominanz der Damenstimmen, wie so häufig fehlen auch in Bayreuth die sangesfreudigen Herren, herrscht dennoch eine Ausgewogenheit in den Stimmlagen. Zusammen mit den Hofer Symphonikern und dem Solistenquartett wurde Beethovens Neunte zu einem der musikalischen Höhepunkte des Konzertjahres in Bayreuth. Die spannende Interpretation unter Arn Goerke, die den Zuhörer vom ersten Takt an in den Bann zog und keine Sekunde der Entspannung zuließ, wird sicherlich zum Maßstab für andere Darbietungen des Werks. Der Abend endete unter verdientem begeistertem Applaus für alle Beteiligten.


Redaktion: Frank Becker