Chopin, Liszt und ein alter Steinway

Bernd Glemser konnte beim Remscheider Meisterkonzert trotz widriger instrumentaler Umstände überzeugen

von Frank Becker

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Chopin, Liszt und ein alter Steinway

 Remscheider Meisterkonzert:
Bernd Glemser konnte trotz widriger instrumentaler Umstände überzeugen
 
Remscheid. Es war, zum Glück, ein Meisterkonzert mit einem meisterlichen Pianisten, der es schaffte, das Instrument im Teo Otto Theater, welches ihm beim 1. Meisterkonzert der Saison dort zur Verfügung stand, einigermaßen zu bändigen. „Der Flügel sei furchtbar“ hatte er zuvor die Presse wissen lassen und um Nachsicht gebeten. Der jugendlich-sportlich wirkende Glemser (*1962), im Jahr 1989 jüngster Musikprofessor Deutschlands, seit 2003 Träger des Bundesverdienstkreuzes, gehört zur Crème seiner Disziplin. Obwohl längst ein Weltstar, hat er immer gerne im Bergischen Land gespielt, war mehrfach Gast der Bergischen Symphoniker und des Sinfonieorchesters Wuppertal.
Am Mittwoch bestritt er mit Werken von Frédéric Chopin und Franz Liszt ein Konzert, das wohl nicht zuletzt ihm unvergeßlich bleiben wird. Schon bei der Eröffnung mit Chopins g–Moll-Ballade Nr. 1 op. 23, die dumpf einsetzt, schleppend, fast zögerlich fortschreitet, bis sich Temperament Bahn bricht, waren die die Gründe für Glemsers „Flügel-Kritik“ unüberhörbar, man konnte den sensiblen Künstler verstehen: der 58 Jahre alte Steinway (Glemsers Können steht außer Frage) klang scheußlich. Durch die Kenntnis dessen gewappnet, konnte man den Hör-Filter einschalten und sich dennoch an Glemsers Spiel erfreuen.

Er ließ zwei a-Moll-Mazurken aus op. 17 und op. 24 folgen, begann verspielt, träumerisch, ging es besonnen an, ließ dann den Feuer des Tanzes aufblitzen und überzeugte vor allem in den sanften Passagen durch weichen Anschlag. In den beiden Nocturnes Nr. 1 und 2 aus op. 27 liegt der besondere Genuß darin, die Delikatesse seines Vortrags bis zum fast lautlos ausschwebenden Schlußakkord auszukosten. Das Scherzo Nr. 4 E-Dur op.54, ist voller Leben, farbig bewegt und läßt beim aufschäumenden Temperament wie bei den virtuosen Läufen wieder die scheppernden Grenzen des Instruments deutlich werden. Aber wir waren ja gewarnt.
Franz Liszts wuchtigen Hammerschlägen der Eingangsakkorde seiner einzigen Klaviersonate h-Moll S. 178 war das inkriminierte Instrument kaum gewachsen, was Glemser aber nicht hinderte, dem greisen Steinway alles abzufordern. Glemser zeigte sich da als völlig unprätentiöser Minimalist. Den Kantilenen des Mittelteils geradezu hochmodern gespielt, folgt die stark akzentuierte Wiederholung der donnernden Hammerschläge, wie Liszt sie selbst in der Beschreibung seines Werks bezeichnete, dich gefolgt von heftiger Bewegung. So ist das wohl nur bei Glemser zu hören, der sich zum Besten der Musik und zum Vorteil der Zuhörer bis zum versöhnlichen, warmen Ausklang, den er grandios ausreizte, von Konventionen löst, Attacke und Moderation beherrscht. Spannend. Eine Zugabe war des Flügels wegen nicht vorgesehen, doch Glemser gab dem fordernden Applaus nach.
 
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