Abseits des internationalen Kunstmarktes
Barbara Honigmann und Gero Troike
im Roger Loewig Haus Bad Belzig.
Von Johannes Vesper
Beide hatten sie eine persönliche Beziehung zu Roger Loewig (1930-1997), der in Bad Belzig in den 60er Jahren immer wieder gelebt und gearbeitet hat. Dieses Haus wurde seit 2009 von der Roger Loewig-Gesellschaft sukzessive zu einem dem Maler und Dichter gewidmetem Museum entwickelt und zeigt jetzt bis zum 10.11.2024 die Ausstellung «Barbara Honigmann – Gero Troike» . Zur Eröffnung kam in Anwesenheit der Künstler bei prächtigem Wetter zahlreiches Publikum in das Museum, in welchem ansonsten eine Dauerausstellung mit Werken Von Roger Loewig beheimatet ist. Troike wie Honigmann sind seit Jahrzehnten durch eine Maler-Theaterfreundschaft miteinander verbunden. Beide haben sie Theaterwissenschaften studiert und trafen einander unabhängig von ihren jeweiligen Beziehungen zu Roger Loewig 1970 in der Ostberliner Volksbühne bei der Aufführung der « Räuber », sie als Praktikantin, er als Assistent des eindrucksvollen Bühnenbildners Pieter Hein. Das waren lebhafte und interessante gemeinsame Wochen. In der Zeit hatte Barbara Honigmann begonnen zu malen. Sie war fasziniert von der Welt des Theaters, mochte sich aber nicht in das Chaos von Kunst, Handwerk, Gruppendynamik und Macht einfügen, fühlte sich wohler beim einsamen Malen, vor allem als sie eines Tages von dem Dramatiker und Regisseur Einar Schleef rund 50 Leinwände geschenkt bekam. Finanziell von ihrem Vater Georg Honigmann unterstützt, konnte sie sich zeitweise ganz dem Malen widmen, besann sich aber auch irgendwann wieder auf ihre Theaterlust, hatte mit ihrem Märchenstück „Das singende, springende Löweneckerchen“ einen Riesenerfolg in der DDR. 1984 verließ sie die DDR, zog nach Straßburg um und gilt mit ihren Romanen und Erzählungen als eine der wichtigsten deutsch-jüdischen Stimmen. Für ihr literarisches Werk wurde sie mit bedeutenden Literaturpreisen ausgezeichnet, in diesem Jahr wir ihr der Friedrich-Schiller-Preis verliehen.
Wie in ihren Texten scheinen auch in ihren Bildern autobiographisch geprägt zu sein. Jedenfalls legt das z.B. das Bild Ahorn, Ginkgo und Katze nahe, möglicherweise eine Momentaufnahme mit Staffelei aus ihrem Atelier. Das Bild Helga und Daniel sticht durch die Farbgebung hervor. Es zeigt eine Frau in leuchtend rotem Pulli mit einem sich abwendendem Kind an hellem Gartentisch mit dunklem Teegeschirr vor dunklen Wolken am Himmel. Die Farbe Weiß spielt eine große Rolle im Bild Vorhang auf. Zu sehen ist eine Atelierszene mit Zimmerstaude und Blume vor hellem Fenster sowie Mal- und anderen Utensilien auf dem Schreibtisch. In Selbst am Morgen porträtierte sie sich als sorgenvoll blickende Frau in weißem Unterhemd mit schmalen Trägern. An Aufenthalte der Malerin in New York erinnert mit hoch aufragender Architektur das Bild Mercer Street, New York (Union Square). Obwohl ihre Bilder, von Michael Hasenclever in München vertreten, bis in die USA verkauft wurden, sagt sie selbst über sich, sie sei „auf dem Kunstmarkt nie angekommen“. Roger Loewig hatte sie 1964 als Teenager besucht, um dem gerade aus Stasi-Haft Entlassenen im Auftrag ihrer Mutter Lebensmittel und Geld zu bringen, die den politisch Verfolgten damals als Kunstfreundin unterstützen wollte.
Die Werke Gero Troikes bieten eher dunkle gedeckte Farben und lassen Assoziationen zu. Die Modellfigur am Fenster zitiert mit der Rückenansicht einer am Fenster stehenden Frau Caspar David Friedrich. Troike hat dieses Bild in ähnlicher Weise noch einmal gemalt. Im Interieur mit Modellfiguren sitzt eine weitere mechanisch wirkende Figur fast erschöpft in einem Sessel. Die in zwei Reihen gehängten acht Landschaftsbilder zeigen Szenen im Umfeld eines Bauernhofes, kahle Bäume, einen Bach neben schneebedeckter Wiese, ein weiß blühender Baum im Vorfrühling, Feldwege, Motive aus dem Sauerland, wo Troike seit Jahren in einem Forsthaus in der Nähe des Möhnesees lebt. Seine Karriere verlief nicht stromlinienförmig. Geboren zum Kriegsende (29. Juni 1945) im Erzgebirge, war er in der Schule vier Jahre von Roger Loewig unterrichtet und stark beeindruckt worden, lernte bei ihm die russische Literatur kennen und schätzen, sah die feinen Zeichnungen Loewigs - sie hingen im Klassenzimmer - und verdankt ihm am Ende seine nicht abgebrochene Schullaufbahn. Und durch ihn kam er zur Malerei. In Erinnerung an diese frühe, prägende Schulzeit zeigt er im Katalog der Ausstellung die Rohrfederzeichnung Kleiner Rummel von 1958 und beschreibt in seinem Text einen Fettfleck links oben auf der Zeichnung, der sich zufällig dahin verirrt habe, der aber Kenner des Werkes von Roger Loewig verwirrt, dessen Blätter in ähnlichen Positionen blasse Sonnen aufweisen. Zum Theater kam Gero Troike 1964 als Bühnenarbeiter des Broterwerbs wegen, arbeitete bald als Theatermaler, Bühnenbildassistent, Kostümbildner, spielte einen Räuber bei den Räubern, machte Bühnenmusik, wenn die junge Katharina Thalbach als Desdemona ihre Unschuld beteuerte. Dabei hatte er nach dem Abitur als Laborant für Mineralogie und Geologie auch schon Wasserstände in einsamen Wiesenlandschaften gemessen. Das Theater aber ließ ihn nicht los. « Eine Realität außerhalb des Theaters gab es nicht mehr ». Es war und blieb seine Welt. Er arbeitete unter Claus Peymann in Bochum schuf Bühnenbilder fürs Theater bis hin nach Antwerpen.
Die Ausstellung befindet sich im Erdgeschoß des Museums, in dem sonst wie aktuell im Obergeschoss Werke von Roger Loewig zu sehen sind, in denen sich die absurde, katastrophale, den Menschen existentiell bedrohende Realität des 20. Jahrhunderts mit bestürzender Aktualität spiegelt. Von Berlin aus mit dem Zug leicht zu erreichen, bietet sich in Bad Belzig fern ab von Kunstmarkt und Kunstmesse, auf denen Kunst zum Objekt des Konsums bzw. zur Geldanlage verkommt, ein eindrucksvolles Kunsterlebnis Barbara Honigmann & Gero Troike. Eine Ausstellung. 12.05-10.11.2024 im Roger Loewig Haus in Bad Belzig.
Zur Ausstellung gab die Roger Loewig Gesellschaft e.V. ein Ausstellungsheft heraus (24 Seiten, Konzeption Gero Troike, Text- und Bildredaktion Anna Schädlich, erhältlich bei der Roger Loewig Gesellschaft e.V. mit Texten von Barbara Honigmann und Gero Troike zu ihrem Werk und Leben sowie Grußworten von Wolfgang Woizick (Stiftung Roger Loewig Haus) und Krista Maria Schädlich (Vorsitzende der Roger Loewig-Gesellschaft e.V.) www.roger-loewig.de
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