Ich liebe und weiß nicht wen

von Albert Ehrenstein

Foto © Frank Becker
Ich liebe und weiß nicht wen

Ich liebe und weiß nicht wen.
Wir trafen uns am Paß der Jahre
Und freuten uns an unsern Grenzen.
Mir aber drang die Liebe hart ans Herz,
Ich weiß noch immer nicht: zu wem?

Ich freu mich, daß Du bist,
Ich freue mich, daß Du mir bist.
Doch ist mir nicht herzinnig wohl:
Warum läßt Du mich immer wieder los -
Wir machten Halt vor unsern Grenzen.

Ich klage: willst mich zu selten sehn!
Und danke Dir doch Tag und Nacht
Für karge wie wild reiche Gabe.

Wie kalt läßt Du mich warten und beiseitestehn!
O lasse mich nicht mehr im Stich -
Du läßt Dich selber so im Stich.
Wenn wir dann zu einander gehn
Und Du zu fern, fast fremd
Vor Wochen, die entsternt verwehn -
Wie kann die atemlose Stunde uns urglücklich sehn?

Ich liebe und weiß nicht wen.
Wir wollen doch zusammengehn?
Unter Jasmin sanken wir hin.
Ich küsse Blüte, Laub und Gras und Erde.
Aber werden wir nicht höher wandern
In Wälderbergen zu Zyklamen, Enzianen?
Nicht locken Dich die donnerblauen Glockenblumen?
Ich träume, daß wir einst zusammen ineinandergehn.
 
Albert Ehrenstein